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International «Die Chancen für ein Ende des Blutvergiessens stehen gut»

Der Druck auf die ukrainische Regierung steigt – im Inland und im Ausland. Bisher lässt sich Janukowitsch davon nicht beirren, wie eine weitere Verhandlungsrunde mit der Opposition gezeigt hat.

«Wir möchten das Blutvergiessen beenden. Die Chance dazu ist sehr gross.» Das haben die Führer der ukrainischen Opposition nach Verhandlungen mit Präsident Viktor Janukowitsch erklärt. Konkret konnten sie jedoch nur einen einzigen Erfolg vorweisen: Die Regierung habe ihnen versprochen, innerhalb dreier Tage alle Demonstranten freizulassen, erklärte Oppositionsführer Vitali Klitschko vor den versammelten Regierungsgegnern auf dem Unabhängigkeitsplatz in Kiew. Janukowitsch sei aber nicht bereit zurückzutreten.

Die Regierungsgegner nahmen die Botschaft vorsichtig und zurückhaltend auf, wie SRF-Korrespondent Peter Gysling sagte. Einige von ihnen hätten sie sogar mit Buhrufen quittiert. «Sie hatten gehofft, dass ihre Delegation mit einem Erfolg auf den Maidan zurückkommen würde», erklärte Gysling.

Klitschko räumte vor den versammelten Regierungsgegnern denn auch ein, er wisse, «dass viele von euch enttäuscht sein werden» vom Ergebnis des Krisentreffens. Er betonte jedoch, dass ein Machtwechsel ohne Blutvergiessen immer noch möglich sei und bat die Demonstranten um Geduld.

Janukowitsch opfert Regierungschef

Vor dem Krisentreffen am Donnerstag war Janukowitsch den Regierungsgegnern erstmals entgegengekommen. Er beantragte beim Parlament eine Sondersitzung, an der es über einen Rücktritt von Nikolai Asarow entscheiden soll. Offenbar ist Janukowitsch bereit, seinen Regierungschef zu opfern, um Zeit zu gewinnen und die Opposition zu beruhigen.

Asarow werde sich dem Entscheid des Parlaments beugen, sagte der ukrainische Regierungschef am Weltwirtschaftsforum (WEF) in Davos. Er machte jedoch auch deutlich, dass die Opposition seit dem Ausbruch der Gewalt ihre Legitimation für ihn verloren habe. «Das sind nicht Oppositions-Vertreter, sondern Rebellen.» Asarow warf der Opposition vor, mit einem Staatsstreich die Macht an sich reissen zu wollen.

Ukrainische Machtprobe – die Akteure

An der Sondersitzung soll das Parlament zudem prüfen, ob das umstrittene Demonstrationsverbot aufgehoben werden kann. Damit geht die Regierung auf eine der Hauptforderungen der Opposition ein. Ob an der Sitzung vom kommenden Dienstag auch vorgezogene Präsidentschaftswahlen auf der Tagesordnung stehen werden, ist noch nicht klar.

Peter Gysling

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Porträt von Peter Gysling.

Peter Gysling arbeitet seit 1980 als Journalist für SRF. Während des Mauerfalls war er Korrespondent in Deutschland. Von 1990 bis 2004 und erneut seit 2008 ist er Korrespondent in Moskau.

Druck aus dem Ausland

Druck auf den ukrainischen Staatschef kommt vermehrt auch aus dem Ausland – etwa von der deutschen Bundeskanzlerin Angela Merkel und vom Weissen Haus. Die USA forderten die Regierung der Ukraine auf, die kürzlich verabschiedeten antidemokratischen Gesetze aufzuheben, die Polizeieinheiten aus dem Zentrum Kiews abzuziehen und einen Dialog mit der Opposition zu beginnen, wie ein Sprecher des Weissen Hauses sagte. «Die USA behalten sich auch Sanktionen vor als Antwort auf die Gewaltanwendung.»

Auch Bundeskanzlerin Merkel appellierte telefonisch an Janukowitsch, er solle mit der Opposition verhandeln und die umstrittenen Gesetze zur Presse- und Versammlungsfreiheit zurücknehmen.

SRF-Korrespondent Peter Gysling bezweifelte jedoch, ob sich Janukowitsch von solchen Appellen aus dem Ausland beeinflussen lasse. Allerdings habe der ukrainische Staatschef EU-Kommissionspräsident José Manuel Barroso am Telefon garantiert, er werde in den nächsten Tagen nicht den Ausnahmezustand über Kiew ausrufen. «Das war ein beruhigendes Signal – auch für die Oppositionsbewegung.»

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