SRF: Wie ist der Besuch von Bundespräsident Didier Burkhalter beim japanischen Kaiser Akihito zu werten?
Thomas Stalder: Die Feierlichkeiten zum 150. Jubiläum der Aufnahme der diplomatischen Beziehungen werden von beiden Ländern als sehr wichtig eingestuft. Deswegen wird das auch auf höchster Ebene zelebriert. Dazu gehört der Besuch beim Kaiser. Es kommt natürlich nicht jeden Tag vor, dass ein Schweizer beim Kaiser zu Besuch ist. Joseph Deiss war bereits vor zehn Jahren mit seiner Frau beim 140-Jahre-Jubiläum da. 2008 erhielt er von Akihito sogar einen Orden für sein Engagement für die guten wirtschaftlichen Beziehungen zwischen der Schweiz und Japan.
Sind sonst noch Feierlichkeiten zum Jubiläum geplant?
Am 6. Januar 1864 wurde der Vertrag der Aufnahme der diplomatischen Beziehungen zwischen den Staaten unterzeichnet, deshalb beginnen am 6. Februar auch die Swissdays in Japan. In Roppongi in Tokio präsentiert sich die Schweiz in einer dreitägigen Ausstellung. Die ganzen Feierlichkeiten ziehen sich über das ganze Jahr. Es finden noch verschiedene andere Events statt.
Seit 150 Jahren sind wir diplomatisch und wirtschaftlich mit Japan verbunden – doch was weiss der Japaner wirklich von unserem Land?
Der durchschnittliche Japaner kennt die Schweiz relativ schlecht. Die berühmteste Figur ist Heidi. Sonst ist die Schweiz in Japan vor allem wegen den internationalen Organisationen in den Schlagzeilen. Die Syrien-Konferenz in Genf war ein Thema, ebenso das Internationale Olympische Komitee, wegen der Austragung der Sommerspiele 2020 in Tokio. Die Schweiz geniesst in Japan grundsätzlich ein sehr hohes Ansehen.
300‘000 japanische Touristen besuchen jährlich die Schweiz. Was sind ihre Highlights hierzulande?
Wir Schweizer trumpfen bei den Japanern mit den bekannten Produkten wie Uhren und Schokolade. Die Schweiz ist ein beliebtes Reiseziel. Doch der ungünstige Wechselkurs für die Japaner macht die Schweizer Ferien und die Schweizer Produkte für die Japaner teurer.
In Japan leben nur 1478 Schweizer. Weshalb ist das so?
Schweizer findet man zwar überall. Aber ja, nach wie vor ist es so, dass Japan kein Einwanderungsland ist. Japan hat sich erst vor 150 Jahren geöffnet. Zudem ist die Einwanderungspolitik sehr restriktiv. Die meisten Schweizer hier arbeiten bei Schweizer Firmen im Grossraum Tokio. Es gibt aber auch Schweizer an den Universitäten, und auch im Tourismus arbeiten einige Schweizer.
Was können die beiden Kulturen voneinander lernen?
Man soll sich nicht gegenseitig kopieren. Wenn man in den Fussstapfen des anderen wandert, kann man ihn nie überholen. Die Schweiz kann aber von Japan im Dienstleistungssektor lernen. In Japan ist der Kunde noch König. Im Restaurant wird man sehr nett bedient und der Taxifahrer nimmt kein Trinkgeld. Alles ist hier sehr diszipliniert, denn nur so kann der Grossraum Tokio mit 34 Millionen Menschen funktionieren. Auch bei der Überalterung der Bevölkerung kann die Schweiz von Japan profitieren. Es gibt Fahrdienste für Alte, die gegenseitige Betreuung funktioniert zum Beispiel in Klubs für Pensionierte sehr gut. Hinzu kommen technische Hilfsmittel für Alte wie Betreuungs- und Unterhaltungsroboter. In der Schweiz hingegen sind die Altersvorsorge und die Sozialversicherungssysteme sehr gut geregelt. Auch die Gelassenheit der Schweizer würde den Japanern helfen.
Sie leben seit drei Jahren in Japan. Was bleibt ihnen fremd im Land?
Ich bin Gast hier und das bleibt auch so. Entsprechend verhalte ich mich. Ich habe den Vorteil, dass man mir ansieht, dass ich Ausländer bin. Das unterscheidet mich sicherlich von asiatischen Ausländern hier. Von ihnen wird in Japan vielleicht mehr erwartet.Ich erlebe Japan als sehr freundlich, aber man muss akzeptieren, dass man als Ausländer nie Japaner werden kann. Als Schweizer hat man Privilegien im Land, weil die Schweiz ein gutes Ansehen in Japan geniesst.
Das Gespräch führte Benedikt Widmer.