Der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) zufolge kommt es in der Ostukraine immer wieder zu schweren Gefechten, weitere Kämpfe seien wahrscheinlich. Schliesslich gebe es auf beiden Seiten steten Nachschub von Munition und eine regelmässige Ablösung von Soldaten, sagte der stellvertretende Leiter des OSZE-Beobachtereinsatzes, der Schweizer Alexander Hug.
Angesichts der verfahrenen Situation startete der deutsche Aussenminister Frank-Walter Steinmeier im russischen Jekaterinburg eine neuerliche diplomatische Offensive. Doch auch er zeigte sich enttäuscht über die schleppende Umsetzung des Waffenstillstandsabkommens für die Ostukraine.
«Wenn wir die Verpflichtungen aus dem Minsker Abkommen vergleichen mit den realen Fortschritten, dann ist die Bilanz leider immer noch sehr ernüchternd», bilanzierte Steinmeier. Das gelte sowohl für die Sicherheitslage wie für das gesamte politische Paket.
Keine der beiden Seiten ist bereit zu sagen, dass das Minsker Abkommen gescheitert ist.
Steinmeier kritisierte weiter, die Verhandlungen über eine Rahmenvereinbarung zur Entflechtung der Konfliktparteien in der Ostukraine steckten seit Wochen fest: «Und das in einer Situation, in der sich in den letzten Tagen noch einmal eine Zuspitzung der Situation auf der Krim ergeben hat, die uns jedenfalls beunruhigt.»
So hatte Russland der Ukraine vergangene Woche vorgeworfen, Anschläge auf der Krim vorzubereiten, um einen neuen Konflikt in der Region zu provozieren. Die Ukraine wies dies zurück.
Viele Vorwürfe – kaum Lösungsansätze
Christof Franzen, SRF-Korrespondent in Moskau, zeichnet denn auch ein düsteres Bild der Lage: «Der Waffenstillstand, der mit dem Minsker Abkommen vereinbart wurde, hat nie richtig funktioniert. Es gab bessere Zeiten, in denen die Kämpfe abgeflaut sind. Seit Wochen sehen wir, dass sie wieder zunehmen: Es gibt fast täglich Tote in der Ostukraine.» Trotzdem sei keine Seite bereit zu sagen, dass das Minsker Abkommen gescheitert sei.
Stattdessen habe sich ein «Schwarz-Peter-Spiel» etabliert. Russland, das in Lugansk und Donezk «Marionettenregierungen» unterhalte und Waffen und Kämpfer in die Ostukraine schicke, weise jede Kritik von sich: «Moskau dreht den Spiess einfach um; neuestes Beispiel sind die Sabotage-Akte, die die ukrainische Regierung auf der Krim geplant haben soll.»
Letztere sperre sich ihrerseits dagegen, die Wahlen in der Konfliktregion zuzulassen und ihr Autonomie zu gewähren. Kiews Argumentation fasst Franzen wie folgt zusammen: Solange wir von den Separatisten beschossen werden, machen wir keine Kompromisse.
Der Faktor Zeit
Doch wie kann der gordische Knoten in der Ostukraine gelöst werden? Franzen sieht wenig Aussicht auf eine baldige Friedenslösung. Auf der einen Seite stehe die Ukraine, die sich entschieden habe, sich dem Westen zuzuwenden und in die EU möchte.
Demgegenüber stünden die Entscheidungsträger im Kreml, die die Ukraine im Einflussbereich Russlands behalten möchten, im besten Fall als Pufferzone zwischen West und Ost. Franzens ernüchterndes Fazit: «Dieser Grundkonflikt ist mit den Minsker Verträgen nicht gelöst.»
Im festgefahrenen Konflikt geht es für Franzen nun darum, wer «den längeren Atem hat»: «Russland leidet unter den Sanktionen des Westens. Auf der anderen leiden die Ukrainer unter der Wirtschaftskrise im Land, zumal sie einen ständigen Krieg finanzieren müssen.» Die «Hoffnung» des Kremls: «Die Ukrainer wählen irgendwann eine pro-russische Regierung», schliesst Franzen.