Der Libanon hat nach mehr als zwei Jahren wieder ein Staatsoberhaupt. Das Parlament in Beirut wählte den christlichen Politiker Michel Aoun zum Präsidenten. Der 81-jährige Ex-General erhielt im zweiten Wahlgang die erforderliche Mehrheit.
«Es war ein zäher Verhandlungsprozess», sagt Bente Scheller. Sie leitet das Büro der Heinrich-Böll-Stiftung in der libanesischen Hauptstadt Beirut. Das liege am libanesischen System. «Einerseits ist es gut, dass nicht einer den Hut aufhaben kann und über die anderen hinweg entscheiden kann.» Gleichzeitig seien die Machtverhältnisse darauf ausgelegt, dass jede Partei das System blockieren könne.
Die Wahl des neuen Präsidenten war seit Mai 2014 bereits 45 Mal gescheitert, weil sich die Parteien nicht auf einen Kandidaten einigen konnten. Mitte Oktober gab jedoch der sunnitische Ex-Premier Saad Hariri seinen Widerstand gegen Aoun auf. Im multikonfessionellen Libanon muss das Staatsoberhaupt immer ein Christ sein.
«Für die nationale Einheit»
Aoun, der als Verbündeter der vom Iran unterstützten Schiitenmiliz Hisbollah gilt, leistete nach seiner Wahl den Amtseid. In einer Rede versprach er, für die nationale Einheit des Landes einzutreten. Sie sei die Basis für die Stabilität und Sicherheit des Libanons.
Ohne Staatsoberhaupt war die Politik des Landes in den vergangenen zweieinhalb Jahren weitestgehend gelähmt. Das sei in allen Bereichen des Lebens offensichtlich geworden, sagt Scheller, die seit 2012 in Beirut lebt. «Sei es die Müllabfuhr, die nicht funktioniert, oder die Strom- und Wasserversorgung. Es gibt eine Reihe von Problemen im Alltag, bei denen sich die Libanesen wünschen, dass es vorangeht.»
Sicherheitspolitik steht nicht zur Debatte
Gleichzeitig leidet der Libanon auch unter den Auswirkungen des Bürgerkriegs im Nachbarland Syrien. Mitglieder der Hisbollah kämpfen dort an der Seite des syrischen Machthabers Baschar al Assad. Nach UNO-Angaben leben mehr als eine Million syrische Flüchtlinge im Libanon. Scheller von der Heinrich-Böll-Stiftung glaubt allerdings nicht, dass Aouns einen Kurswechsel in der Syrienpolitik einleiten wird.
«Der Libanon hat zwei ganz wesentliche Interessen», erklärt sie. «Der Syrienkrieg soll nicht über die Grenze schwappen. Und man wird versuchen, alles zu tun, egal welcher politischen Kompromisse es bedarf, um genau dieses Überschwappen zu verhindern, die Grenze zu sichern und die innenpolitische Stabilität zu erhalten.»