«Das Bankgeheimnis ist nicht verhandelbar.» Das sagte 2009 der damalige Finanzminister Hans-Rudolf Merz. Doch nun sind die Tage für das einstige «Gütesiegel» der Schweizer Banken gezählt. Was noch bleibt sind Verhandlungen mit der EU über die Modalitäten des einstigen Finanzréduit.
Schliessen der Schlupflöcher
Das bestehende Zinsbesteuerungsabkommen soll verschärft werden, angestrebtes Ziel der EU ist der automatische Informationsaustausch.
De facto wurde das Bankgeheimnis am 3. Dezember 2012 beerdigt. Die Schweiz und die USA haben an jenem Tag das Fatca-Abkommen (Foreign Account Tax Compliance Act) paraphiert.
Fatca ist faktisch eine automatische Datenlieferung – wenn auch ein wenig umständlicher als ein wirklich automatischer Datenaustausch: verweigert ein Kunde die Weitergabe seiner Kontodaten, so werden die gewünschten Informationen auf Anfrage hin dennoch geliefert.
Die Banken müssen nämlich den US-Steuerbehörden die Anzahl und das Gesamtvermögen der Konten unkooperativer Kunden melden. Auf dieser Basis können die Steuerbehörden dann mit einer Gruppenanfrage detaillierte Informationen zu den einzelnen Konten verlangen.
Das oben beschriebene Vorgehen beim Informationsaustausch ist das so genannte Modell zwei der Fatca-Umsetzung. Modell eins, das die grossen EU-Staaten gewählt haben, sieht einen automatischen Informationsaustausch zwischen den Staaten vor – ohne Einwilligung der Bankkunden.
USA haben Bankgeheimnis geknackt
Mit Fatca müssen die Schweizer Banken das Bankgeheimnis gegenüber den USA aufgeben. Mit einer Weigerung würden sie den Zugang zum US-Finanzmarkt verlieren – und somit auch das Recht, US-Kunden zu betreuen oder US-Aktien zu handeln.
Was mit der EU gegenwärtig zur Disposition steht sind nicht Gespräche über ein erweitertes Fatca-Abkommen, sondern Verhandlungen zur Zinsbesteuerung und dem automatische Informationsaustausch (AIA).
Schweiz unter Druck
Der AIA innerhalb der EU betrifft Angaben zu Bankdaten von EU-Bürgern, allerdings sehr begrenzt: Die Information betrifft nur Einkommen aus Zinsen – Dividenden oder Kapitalgewinne werden nicht berücksichtigt. Diese Angaben zu Zinserträgen werden von den Banken an eine zentrale Meldestelle geliefert. Der AIA soll nicht nur Erträge in die Staatskassen liefern, sondern auch abschreckend auf Steuerflüchtlinge wirken.
Nachdem Luxemburg und Österreich den AIA mit den anderen 25 Mitgliedsstaaten in Aussicht gestellt haben, wittert Brüssel nun Morgenluft in Sachen Schweizer Bankdaten. Die Informationen des AIA gehen viel weniger weit als beim Fatca-Abkommen.
Der AIA übertrifft aber den international gültigen Standard, den die Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung OECD für den globalen Bankdatenaustausch festlegt. Die Schweiz fühlt sich deshalb auch nicht verpflichtet, sich an den AIA zu halten. Sie hat mit den EU-Ländern individuell verhandelte Doppelbesteuerungsabkommen (DBA) abgeschlossen.
Gemäss OECD-Standard sind Gruppenanfragen zu Amtshilfe ohne begründeten Einzelverdacht auf Steuerbetrug möglich. Fishing Expeditions – also Anfragen ohne Nennung von Namen und Bankverbindung – bleiben ausgeschlossen.
Fatca als neuer Standard?
Im Steueramtshilfegesetz, das seit dem 1. Februar in Kraft ist, hat die Schweiz die Gruppenanfragen als neuen «Schweizer Standard» des Informationsaustausches definiert und beschlossen.
Das Fatca-Abkommen der Schweiz mit den USA könnte die OECD verleiten, gleiches Recht einzufordern. Die fünf EU-Staaten Frankreich, Deutschland, Italien, Spanien und Grossbritannien planen bereits ein Pilotprojekt für einen gegenseitigen automatischen Informationsaustausch nach dem Fatca-Modell. Die Finanzminister haben OECD-Steuerkommissar Algirdas Semeta entsprechend informiert.
Aufgrund der EU-internen Richtlinie, die seit Anfang 2013 gilt, sind die Länder faktisch gezwungen, den EU-Partnerländern dieselben Informationen zur Verfügung zu stellen wie der USA.