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Erdogan auf der Bühne
Legende: Erdogan begrüsst seine Anhänger am Sonntagabend auf einer Busfahrt durch Instanbul. Keystone

International Erdogan wird neuer Präsident der Türkei

Der türkische Regierungschef hat die Wahl nach dem vorläufigen Ergebnis bereits im ersten Durchgang mit absoluter Mehrheit gewonnen. Seine beiden Konkurrenten hat Erdogan deutlich abgehängt.

Das Resultat kommt wenig überraschend, denn bereits in den Umfragen hatte sich ein klarer Sieg Erdogans bei der türkischen Präsidentschaftswahl abgezeichnet.

Der 60-jährige islamisch-konservative Politiker kommt nach Auszählung von 98 Prozent der Stimmen auf eine absolute Mehrheit von 52,2 Prozent.

Konkurrenten weit abgeschlagen

Der Gemeinschaftskandidat der beiden grössten Oppositionsparteien CHP und MHP, Ekmeleddin Ihsanoglu, liegt bei knapp 39 Prozent.

Der Kandidat der pro-kurdischen HDP, Selahattin Demirtas, erzielte rund 9 Prozent. Die Wahlbeteiligung gab CNN Türk mit 76,9 Prozent an.

Wie ist dieser deutliche Sieg Erdogans zu erklären? «Zum einen ist die Opposition sehr zerstückelt, sehr zersplittert, es ist ihr nicht gelungen, einen schlagkräftigen Gegenkandidaten zu Erdogan aufzubauen», sagt Ruth Bossart, Korrespondentin von SRF in Istanbul.

«Leistungsausweis honoriert»

Andererseits habe Erdogan durchaus einen Leistungsausweis, der nun an der Urne honoriert worden sei. «Vor allem zum Anfang seiner Regierungszeit gab es einen grossen wirtschaftlichen Aufschwung, an dem die zahlenmässig gewichtigen Unterschichten teilnehmen konnten», erklärt Ruth Bossart. «Sie gehören heute zu seinen loyalsten Anhängern.»

Erdogan habe auch die Infrastruktur aufgebaut und sich nicht gescheut, dass heisse Eisen der Kurden-Konflikte anzufassen. «Er hat die Leute dort befriedet, und ich bin sicher, dass er aus dieser Region sehr viele Stimmen erhielt», so die Korrespondentin.

Nach seinem Wahlsieg machte sich Erdogan laut Fernsehberichten auf den Weg zum Gebet in die historische Eyüp-Sultan-Moschee in Istanbul, wie es bereits die osmanischen Sultane taten, bevor sie den Thron bestiegen. Anschliessend wollte er in die Hauptstadt Ankara reisen, um eine Ansprache vor seinen Anhängern zu halten.

Erdogan strebt zwei Amtszeiten von je fünf Jahren an. Die erste Amtszeit beginnt am 28. August. Der Vorsitzende der islamisch-konservativen AKP regiert seit 2003 und hätte nach den AKP-Statuten nicht ein viertes Mal Ministerpräsident werden dürfen.

Erdogan will Verfassung erneuern

Mit seinem Wahlsieg dürften die Weichen für die Einführung eines neuen Präsidialsystems gestellt und das Amt mit noch mehr Macht ausgestattet werden.

Erdogan will das Amt des Staatsoberhaupts, das bisher eher repräsentative Aufgaben hatte, mit neuen Befugnissen ausstatten. Schon jetzt gibt die Verfassung dem Präsidenten allerdings erhebliche Macht. So sind beispielsweise seine Entscheidungen juristisch nicht anfechtbar.

Der scheidende Präsident Abdullah Gül, der wie Erdogan zu den Gründern der Regierungspartei AKP zählt, hatte sich auf eine zeremonielle Rolle beschränkt.

«Viele Türken werden die Änderung des politischen Systems als Aushebelung der Verfassung interpretieren und dies nicht akzeptieren, und das schafft neue Konflikte», lautet die Einschätzung von Ruth Bossart.

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Von Religiös-Konservativen unterstützt

Kritiker beklagen dagegen, dass die Türkei unter Erdogan immer stärker von ihrer weltlichen Orientierung abrückt und dass Bürgerrechte beschnitten werden.

Bei der Wahl hat ihm die Opposition vorgeworfen, staatliche Ressourcen im Wahlkampf zu nutzen. In die Kritik war auch der Staatssender TRT geraten, der Erdogan viel mehr Sendezeit einräumte als seinen beiden Kontrahenten. Gegenkandidat Ihsanoglu kritisierte den Wahlkampf als ungerecht und ungleich.

Erdogan wird vor allem von religiös-konservativen Türken unterstützt. Sie heben etwa die wirtschaftlichen Erfolge des Landes hervor, das Nato-Mitglied und EU-Beitrittskandidat ist.

Nur wenige Ausland-Türken gingen wählen

Zur Wahl waren etwa 53 Millionen Türken aufgerufen. Nach Einschätzung eines OSZE-Beobachters war die Beteiligung im Vergleich zur Kommunalwahl im März gering. Erstmals hatten zusätzlich auch die 2,8 Millionen wahlberechtigte Auslandstürken die Möglichkeit, ausserhalb der Türkei zu wählen. Davon machten aber nur 8,3 Prozent Gebrauch.

Wird er offiziell zum Wahlsieger erklärt, muss Erdogan den AKP-Vorsitz abgeben. Basis für die erste Direktwahl des Präsidenten durch das Volk war ein Verfassungsreferendum aus dem Jahr 2007. Zuvor wurde das Staatsoberhaupt vom Parlament bestimmt.

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