Zum Inhalt springen

International Erdogans gefährlicher Plan

Immer wieder steigen türkische Kampfjets auf. Sie beschiessen Stellungen der Terrormiliz IS in Syrien, doch die Angriffe gelten vor allem der PKK im Nordirak. Präsident Erdogan setzt offensichtlich den Friedensprozesses mit den Kurden aufs Spiel – und hofft mit Neuwahlen auf alte Stärke.

Er sagt Terror. Er meint die Kurden. Und er denkt an Neuwahlen. Auf diese Kurzformel reduzieren Oppositionelle, Kurden und kritische Medien in der Türkei die Strategie von Präsident Tayyip Erdogan. Er gebe vor, er bekämpfe die IS-Terrormiliz in Syrien entschlossen, lenke damit aber nur davon ab, dass es ihm um die kurdische Arbeiterpartei PKK gehe.

Tatsächlich sind die türkischen Angriffe auf die PKK-Stellungen im Nordirak ungleich härter und verheerender als die Schläge gegen den IS in Syrien. Dort zeigen sich die Dschihadisten des sogenannten Islamischen Staates völlig unbeeindruckt. Sie verkünden, die Luftschläge der Türken hätten bislang kaum Schaden angerichtet. Mehrere Raketen sollen auf freier Fläche eingeschlagen sein. Mehr noch, heute kommen Meldungen, wonach die türkische Luftwaffe ein kurdisch kontrolliertes Dorf im Norden Syriens beschossen habe.

Kampf gegen IS aus innenpolitischen Gründen

Die Türkei führt Krieg gegen die Feinde des IS, gegen die Kurden. Auch im Landesinnern: 600 Terrorverdächtige habe man bisher festgenommen bei Razzien in mehreren Städten, sagt die türkische Regierung.

Unter den Verhafteten sind einige wichtige IS-Führer, aber es sind – so belegen Namenslisten der Opposition – sehr viele Kurden darunter, die der demokratischen Partei HDP angehören, viele Aktivisten, viele Linke und Oppositionelle.

Das macht deutlich: E sind hauptsächlich innenpolitische Gründe, die Präsident Erdogan dazu bewegen, jetzt wieder den Kampf gegen die Kurden zu führen und das Ende des türkisch-kurdischen Friedensprozesses in Kauf zu nehmen.

Mehr zum Thema

Hoffnungsträgerin HDP wird geschwächt

Die Kurden sind zu stark geworden, und mit der demokratischen Partei HDP haben sie bei den Parlamentswahlen im Juni im Parlament eine gewichtige Stimme bekommen.

Die HDP mit ihrem Chef Selahattin Demirtas wurde auch für liberale, vor allem junge Türken zu einer Hoffnung, einer möglichen Alternative zur immer repressiveren AKP von Erdogan, die bei den Wahlen ihre absolute Mehrheit verlor. Diese HDP wird nun geschwächt durch Erdogans Strategie. Aber auch die kurdische PKK fällt ihr in den Rücken, mit ihren Anschlägen auf Polizisten und Soldaten.

Baldige Neuwahlen als Ziel

In diesem vergifteten innenpolitischen Klima ist die Bildung einer Koalitionsregierung fast unvorstellbar geworden. Erdogans Rechnung scheint aufzugehen. Er will Neuwahlen im Herbst in der Hoffnung, dass die AKP dann wieder die absolute Mehrheit erhält, allein regieren kann – und die Kurden wieder aus dem Parlament ausziehen müssen.

In der Zwischenzeit amtiert eine Regierung, die am 7. Juni abgewählt wurde. Sie fällt wichtige Entscheidungen: So hat sie in einem bisher geheimen Deal mit der US-Regierung offenbar die Einrichtung einer Pufferzone im Norden Syriens beschlossen, ein Projekt, das Erdogan schon lange verfolgt – als Teil seiner Politik gegen den syrischen Machthaber Assad.

Kurden fürchten um ihre autonomen Gebiete

Offiziell heisst es, diese Zone solle die IS-Terroristen von der Türkei fernhalten. Die Kurden glauben dies nicht. Sie fürchten vielmehr, dass damit ihre autonomen Gebiete im Norden Syriens aufgelöst werden sollen.

Premier Ahmet Davutoglu sagte gestern, er werde niemals zulassen, dass die türkische Verbindung zu Aleppo in Syrien abgetrennt werde. Was er damit meinte: Die Kurden mit ihrem autonomen Gebiet könnten diese Verbindung kappen, sie sind das Hindernis.

Meistgelesene Artikel