Der Gipfel der EU-Staats- und Regierungschefs über die Zukunft des Staatenbunds nach dem Austritt Grossbritanniens brachte folgende Ergebnisse:
- Brexit-Verfahren : Die EU drängt Grossbritannien für eine rasche Austrittserklärung. Nur EU-Parlamentspräsident Martin Schulz spricht davon, London allenfalls einen Rückzieher zu ermöglichen.
- Neue EU-Form : Die 27 Staats- und Regierungschefs tagten bereits ohne den britischen Premierminister. Ein Folge-Treffen wurde für September angesetzt.
- EU-Reformen : Das Bewusstsein für Reformen ist vorhanden. Komplizierte Änderungen der EU-Verträge sollen aber vermieden werden.
- Rolle Schottlands : Regierungschefin Nicola Sturgeon konnte mit EU- Parlamentspräsident Martin Schulz sprechen mit dem Ziel, Schottland in der Union zu behalten.
- Wirtschaftliche Folgen : Die Europäische Zentralbank (EZB) rechnet mit einem um 0,3 bis 0,5 Prozentpunkte geringerem Wachstum in den nächsten drei Jahren.
Sechs Tage nach der Brexit-Entscheidung forderten die 27 EU-Staats- und Regierungschefs an ihrem Gipfeltreffen in Brüssel das Vereinigte Königreich auf, die EU so schnell wie möglich über den Austritt aus der Union zu informieren. Mit einem Austrittsgesuch rechnet die EU aber nicht mehr vor September.
EU-Ratspräsident Donald Tusk und EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker machten erneut deutlich, dass nicht verhandelt werde, bis nicht das Austrittsgesuch vorliege. In einer gemeinsamen Erklärung hiess es, man wünsche sich auch künftig eine enge Partnerschaft mit Grossbritannien.
In einem künftigen Abkommen müssten aber Rechte und Pflichten ausgewogen berücksichtigt werden. Für den Zugang zum EU-Binnenmarkt müssten alle vier Grundfreiheiten (Freizügigkeit von Personen, Waren, Kapital und Dienstleistungen) respektiert werden. «Einen Binnenmarkt à la carte wird es nicht geben», sagte Tusk.
Erst nach dem britischen Austrittsschreiben sollen Verhandlungen über den künftigen Status des Landes im Verhältnis zur EU beginnen. Die zweijährige Periode könnte nur mit einem einstimmigen Votum der 27 Mitgliedstaaten verlängert werden. Grossbritannien bleibt weiterhin Vollmitglied der EU mit allen Rechten und Pflichten und muss auch in den EU-Haushalt einzahlen.
EU-Sitzung der 27 im September
Politisch hat die Trennung bereits begonnen: Erstmals tagten am Mittwoch die Staats- und Regierungschefs ohne David Cameron. Sie demonstrierten damit Einigkeit, allerdings ohne klare Zukunftsentscheidungen. «Sie sind entschlossen, gemeinsam und vereint zu bleiben», sagte EU-Gipfelchef Donald Tusk nach einem informellen Treffen ohne David Cameron. Tusk plant für den 16. September bereits ein weiteres Treffen in der 27er-Runde in der slowakischen Hauptstadt Bratislava.
Der Brexit löste beim EU-Gipfeltreffen eine Debatte darüber aus, wie die vielerorts unpopuläre EU künftig besser gestaltet werden kann. EU-Spitzen und Mitgliedstaaten wissen, dass sie den Staatenbund reformieren müssen. Komplizierte Änderungen der EU-Verträge wollen sie aber vermeiden, machte EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker deutlich. «Wir würden wirklich das Falsche tun, wenn wir wieder eine Vertragsdiskussion beginnen würden», sagte dazu auch Bundeskanzlerin Angela Merkel.
Steigt Schottland «aus der Asche»?
Auch der Zerfall des Vereinigten Königreiches steht weiter im Raum: Die schottische Regierungschefin Nicola Sturgeon betonte in Brüssel, dass der britische Landesteil auf jeden Fall in der EU bleiben wolle.
Sie traf sich mit EU-Parlamentspräsident Martin Schulz und am späten Nachmittag mit EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker. Schottland habe das Recht, in Brüssel angehört zu werden, sagte Juncker. «Aber wir werden uns nicht in britische Angeleigenheiten einmischen.» Von EU-Ratspräsident Donald Tusk soll Sturgeon einen Korb erhalten haben.