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International Fast 100 Tote nach Attentat auf Friedensmarsch in Ankara

In Ankara haben zwei Anschläge über 90 Tote und viele Verletzte gefordert. Premier Davutoglu geht von einem Terroranschlag zweier Selbstmordattentäter aus und nennt den IS und die PKK als mögliche Täter. Tausende Demonstranten geben indes Präsident Erdogan eine Mitschuld.

Zwei schwere Explosionen haben am Samstagvormittag das Zentrum der türkischen Hauptstadt Ankara erschüttert und zahlreiche Menschenleben gefordert. In jüngsten Medienberichten, die sich auf Angaben der Kurdenpartei HDP berufen, ist von 97 Toten die Rede. Die Regierung hat derweil 95 Tote und 246 Verletzte, darunter 48 Schwerverletzte gezählt.

Die Explosionen hatten sich laut offiziellen Angaben um 10:04 Uhr Ortszeit vor dem Hauptbahnhof von Ankara ereignet. Ab 10 Uhr wollten sich dort Demonstranten für einen Friedensmarsch versammeln, der um 12 Uhr hätte beginnen sollen. Zu diesem hatten Friedensaktivisten, linke Gruppierungen sowie die prokurdische Partei HDP anlässlich des zunehmend gewaltsamen Konflikts zwischen Ankara und den Kurden aufgerufen.

Tausende auf den Strassen

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Der türkische Premierminister Ahmet Davutoglu ordnete eine dreitägige Staatstrauer an und nannte den IS, die PKK und die linksradikale Untergrundpartei DHKP-C als Verdächtige. Präsident Erdogan rief seine Landsleute zu «Solidarität und Entschlossenheit» auf. Ziel der Angreifer sei es gewesen, die Gesellschaft zu spalten, heisst es in der schriftlichen Botschaft Erdogans weiter.

Viele Türken geben Erdogan indes eine Mitschuld am blutigen Vorfall. So sind in Istanbul und anderen Städten des Landes Tausende Menschen auf die Strassen gegangen. Den Staatspräsidenten sollen sie in Chören einen «Dieb» und einen «Mörder» genannt haben. Die Polizei begleitete die Proteste mit einem Grossaufgebot, sah sich aber nur in der Stadt Diyarbakir zum Einschreiten veranlasst.

Kurdenpartei HDP beschuldigt die Staatsführung

Auch die prokurdische HDP beschuldigte die Staatsführung. Ziel des «barbarischen Angriffs» sei eindeutig seine Partei gewesen, sagte HDP-Co-Präsident Selahattin Demirtas. Zumal die Bomben inmitten von Anhängern seiner Partei detoniert seien. Der Anschlag sei «kein Angriff auf die Einheit des Landes, sondern ein Angriff des Staates auf das Volk».

Auch dieser Vorfall würde nicht aufgeklärt werden, meinte Demirtas mit Verweis auf frührere Attentate. Ein weiterer HDP-Funktionär, der anonym bleiben wollte, sagte der Deutschen Presse-Agentur, die Führung des Landes habe den Anschlag «entweder organisiert oder nicht verhindert».

Zumindest die von der Staatsführung genannte PKK kommt auch laut Ruth Bossart, SRF-Korrespondentin in Istanbul, als Urheber des Doppelanschlags eher weniger in Frage. Plausibler sei es, die Attentäter in rechtsextremen Kreisen oder beim IS zu suchen.

EU sichert Ankara Hilfe zu

Schweiz kondoliert

Box aufklappen Box zuklappen

Das Schweizer Aussendepartement hat der Türkei in einem Schreiben ihr Beileid ausgesprochen. Die Schweiz sei «in Gedanken bei den türkischen Behörden und dem türkischen Volk, insbesondere bei den Opfern und deren Familien». Auch die Bevölkerung zeigte sich solidarisch. In Zürich protestierten rund 1000 Menschen friedlich gegen die Bombenanschläge.

Wenige Stunden nach den Explosionen sicherten die EU-Aussenbeauftragte Federica Mogherini und der Vizekommissionspräsident Johannes Hahn dem Land in einer schriftlichen Stellungnahme die Unterstützung der EU zu: «Unsere Partnerschaft und unser Willen zur Zusammenarbeit mit den türkischen Behörden und der türkischen Gesellschaft sind stärker denn je.»

In der Nacht drückte auch US-Präsident Barack Obama in einem Telefongespräch mit dem türkischen Präsident Erdogan seine Anteilnahme aus.

Parlamentswahlen gefährdet?

Am 1. November wählen die Türken ein neues Parlament. SRF-Korrespondentin Ruth Bossart zufolge ist nicht auszuschliessen, dass bis dahin weitere Anschläge stattfinden. Es stelle sich zudem die Frage, ob in der angespannten Situation überhaupt ein regulärer Wahlkampf stattfinden könne. Denn im Osten des Landes herrschten aktuell bürgerkriegsähnliche Zustände.

Ferner hätten im Anschluss an den jüngsten Terror sowohl die prokurdische HDP wie auch Erdogans Partei AKP den Wahlkampf vorerst unterbrochen.

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