Es gibt praktisch keine weissen Flecken mehr auf der touristischen Landkarte – mit Ausnahme von ganz wenigen Ländern, in die man bisher gar nicht oder nur sehr beschränkt einreisen konnte. Nordkorea gehört zu diesen Ländern. In der Vergangenheit war es nur in wenigen Fällen möglich, überhaupt dorthin zu reisen.
Heinz-Dieter Quack ist wissenschaftlicher Leiter des Europäischen Tourismus-Instituts in Trier. Für ihn ist es gut vorstellbar, dass einige Menschen, gerade weil sie bisher noch nie nach Nordkorea reisen konnten, dorthin werden reisen wollen. Doch was treibt sie an, diese weissen Flecken zu erobern?
«Eines der zentralen Motive, überhaupt zu verreisen, ist das Entdeckermotiv», sagt Quack. «Es ist das Gefühl, dahinzugehen, wo vor uns noch keiner war.» Das heisst, es geht solchen Touristen darum, zu den ersten zu gehören, die ein Land für sich und stellvertretend für die Freunde zuhause entdecken können.
Einmal nach Nordkorea statt nach Mallorca
Zu den Reisemotiven gehöre aber auch eine gewisse Form von Narzissmus oder auch Distinktion, erklärt der Tourismus-Forscher weiter. «Zum elften Mal in Folge nach Mallorca zu reisen, ist nicht ganz so spannend zu erzählen, als der Erste im gesamten Freundes- und Bekanntenkreis zu sein, der nach Nordkorea gereist ist.»
Den Touristen ist es wichtig, zuhause etwas erzählen zu können – das gilt für viele Reiseformen, von luxuriös bis besonders abenteuerlich. «Auf einer banalen Ebene erleben wir das jetzt schon in unseren Ferien, egal wo wir hingehen», sagt Quack. Zu berichten, dass alles toll war, sei kaum erwähnenswert. «Wenn wir an Standardziele gefahren sind, reden wir viel lieber davon, was nicht geklappt hat.»
Wenn jemand nun in ein Land fahre, in dem vor ihm noch nicht allzu viele Gäste – zumindest aus der westlichen Welt – gewesen sind, dann sei das immer eine schöne Geschichte wert, so Quack. «Wir können aus erster Hand aus Pjöngjang berichten, was wir sonst nur in den Nachrichten zu sehen bekommen.»
Ferien im Kriegsgebiet als Mutprobe
Auch Ferienreisen zu Kriegsschauplätzen werden angeboten. Zu den aussergewöhnlichen Zielen gehört beispielsweise der Irak. Die Motive, dort hinzureisen, sind laut dem Experten ähnliche wie im Fall von Nordkorea. Hinzu komme eine gewisse Form von Mutprobe, eine solche Reise überhaupt anzutreten.
«Bei Reisen in Krisen- oder gar Kriegsgebiete gehört auch so etwas wie Nervenkitzel und Abenteuerlust dazu», sagt Quack. «Dass diese Reisen besonders gefährlich sind – mitunter lebensgefährlich – blenden die meisten natürlich aus.»
Erholsam im klassischen Sinne einer Regeneration von Körper und Geist seien solche Reisen sicher nicht. «Das sind eher Adrenalin- oder Testosteronferien, bei denen es eher darum geht, einen ganz besonderen, ultimativen Kick in den Ferien zu erleben, der einem der Alltag in der eigenen Wahrnehmung nicht bietet.»