Ein Sondergericht soll mutmassliche kosovo-albanische Kriegsverbrechen Ende der 1990er Jahre beurteilen. Carla Del Ponte, bis 2008 Chefanklägerin am Internationalen Strafgerichtshof für das ehemalige Jugoslawien (ICTY) in Den Haag, äussert sich skeptisch zu dem neuen Gericht.
Sie glaube nicht so sehr an dieses Sondertribunal, sagt die Tessinerin. Das Haager Tribunal in Den Haag beschäftige sich seit Jahren mit der Aufklärung von schweren Verbrechen während des Krieges in Ex-Jugoslawien. Und der Kosovo gehöre auch zu Ex-Jugoslawien.
Erfolglose Ermittlungen des ICTY
«Was mich stutzig macht ist, dass das Gericht seinen Sitz im Kosovo hat», sagt Del Ponte. Kosovo habe nie mit dem Haager Tribunal zusammengearbeitet. Diese Ermittlung seien seit vier Jahren im Gang, und bisher sei nichts dabei herausgekommen. Angesichts der Zeit, die seit dem Krieg im Kosovo vergangen ist, werde es immer schwieriger zu ermitteln. Sie habe «etliche Zweifel» an dem neuen Gericht.
Das Uno-Kriegsverbrechertribunal in Den Haag beendet seine Arbeit voraussichtlich in zwei Jahren und kann keine neuen Fälle aufnehmen. Statt ein neues Tribunal mit den Untersuchungen im Kosovo zu beauftragen fände es Del Ponte sinnvoller, wenn der Uno-Sicherheitsrat das Gericht in Den Haag beauftragen würde, sich auch mit den Fällen im Kosovo zu beschäftigen. «Aber das sind politische Entscheide.»
Ermittlungen wegen Organhandels
Das Parlament im Kosovo hatte am Mittwoch die Bildung eines Kriegsverbrechertribunals mit Sitz in Pristina beschlossen. Das Gericht soll sich mit mutmasslichen Verbrechen der UÇK im Kosovo-Krieg (1998-1999) beschäftigen.
Die Schaffung des Tribunals steht in Verbindung mit den Ermittlungen zum mutmasslichen Organhandel. Der Sonderberichterstatter des Europarates, der damalige Tessiner Ständerat Dick Marty, hatte UÇK-Kommandanten 2010 in einem Bericht vorgeworfen, während des Kosovo-Krieges am Handel mit den Organen hunderter serbischer Gefangener beteiligt gewesen zu sein.