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Eine Drohne startet auf einem Flugfeld.
Legende: Gezielte Tötungen, etwa mittels einer Drohne, bringen wenig, sagt ein Bericht der CIA. Reuters

International «Gezielte Tötungen sind nicht effektiv: Die USA wissen das»

Gezielte Tötungen sind Teil der US-amerikanischen Militärstrategie. Obwohl ein CIA-Bericht, den die Plattform Wikileaks am Freitag veröffentlicht hat, schon vor fünf Jahren festgestellt hat: Gezielte Tötungen machen wenig Sinn.

SRF: Wieso bringen gezielte Tötungen so wenig?

Peter Rudolf: Organisationen wie die Taliban oder Al Kaida können die Führungsebene ersetzen. Sie erhalten ständig neuen Zulauf. Es sind feste Organisationen, die nicht davon abhängig sind, dass einzelne Kommandanten weiterhin operieren können. Aber der Bericht sagt nicht grundsätzlich, dass gezielte Tötungen nichts bringen. Man muss nur entscheiden, was man damit genau bezwecken will.

Wenn sie strategisch sinnvoll im Rahmen einer breiteren Strategie der Aufstandsbekämpfung können sie trotz aller Probleme vielleicht von Nutzen sein. Im Nachhinein liest man aus dem Bericht heraus, dass die gezielten Tötungen, was die Taliban angeht, nicht wirkungsvoll waren. Nun, fünf Jahre später sieht man, dass die Taliban weiterhin stark sind. Es kam nicht zu Verhandlungen. Vieles, was mit den gezielten Tötungen bezweckt wurde, wurde nicht erreicht.

2013 hat Obama selbst eingeräumt, dass Drohnenangriffe nicht viel bringen und hat diese Angriffe eingeschränkt.

Etwas ja. Sie werden so geführt, dass die Zahl der Toten, der sogenannten Kollateralschäden, also der unbeabsichtigten, aber in Kauf genommenen Toten unter der Zivilbevölkerung verringert wurden. Die Drohnenangriffe sind zwar etwas eingeschränkt, aber sie sind nach wie vor ein Mittel der amerikanischen Aufstands- und Terrorismusbekämpfungspolitik.

Eine Praxis, die sich schon als kontraproduktiv erwiesen hat. Es gibt ja auch immer wieder Fälle, in denen sich die lokale Bevölkerung mit den Kämpfern erst recht verbündet hat.

Peter Rudolf

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Er ist Amerika-Spezialist bei der Stiftung Wissenschaft und Politik in Berlin und hat sich intensiv mit gezielten Tötungen beschäftigt.

Die ständige Bedrohung durch Drohnenangriffe kann leicht dazu führen, dass die Bevölkerung eher mit denen den sympathisiert, die angegriffen werden. Es werden auch immer wieder falsche Ziele getroffen und Unbeteiligte in Mitleidenschaft gezogen. Gemäss dem Bericht sind sich die amerikanischen Militärs und die Geheimdienste dieses Problems bewusst. Aber die Politik ist bislang nicht korrigiert worden.

Lässt sich ein Muster erkennen, unter welchen Umständen, diese gezielten Tötungen militärisch sinnvoll sind? Ist es zum Beispiel sinnvoll, den Chef der Terrormiliz Isis ins Visier zu nehmen?

Die Frage ist, was man will. Will man Isis zerstören oder als Organisation schwächen, dann mag es sinnvoll sein. Hat man irgendwann die Hoffnung, mit dieser Organisation ins Gespräch zu kommen, Verhandlungen über Waffenstillstände oder politische Lösungen in Syrien oder im Irak zu führen, dann ist es wahrscheinlich nicht sinnvoll.

Die meisten Völkerrechtler ausserhalb der USA würden sagen, das ist nicht erlaubt.
Autor: Peter Rudolf Experte für gezielte Tötungen

Völkerrechtlich sind solche Tötungen sehr umstritten. Gibt es Fälle, in denen sie gerechtfertigt sind?

Die Frage, ob sie völkerrechtlich legitim oder legal sind, hängt davon ab, ob es sich um einen bewaffneten Konflikt handelt. Im Falle Afghanistans und des Iraks würden sicher die meisten Völkerrechtler ja sagen. Da sind Tötungen durch Drohnen nicht anders zu beurteilen als jeder andere militärische Einsatz. Der muss den Kriterien der Notwendigkeit und der Verhältnismässigkeit genügen. Problematisch ist es ausserhalb der heissen Kampfgebiete: Etwa Drohneneinsätze im Jemen oder Somalia. Da gibt es eine amerikanische Rechtsauffassung, die in dieser Form von kaum keinem anderen Land geteilt wird. Da würden die meisten Völkerrechtler ausserhalb der USA sagen, das ist völkerrechtlich nicht erlaubt.

Wie sieht denn diese amerikanische Einschätzung völkerrechtlich aus?

Die USA gehen von einem territorial bewaffneten und militärischen Konflikt mit Al Kaida und deren verbündeten Kräften aus. Wer die sind, ist eine Frage der Interpretation. Im Prinzip kann jede islamistische Gruppe mit Al Kaida in Verbindung gebracht werden. Somit ist es aus amerikanischer Sicht die Wahrnehmung eines bewaffneten Konflikts, der letztlich weltweit gefühlt wird. In den Staaten, in denen die Regierungen nicht gegen Al Kaida vorgehen wollen oder können, sehen sich die USA befugt, gezielte Tötungen einzusetzen. Zusammengefasst ist das die amerikanische Haltung.

Das Interview führte Roman Fillinger.

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