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International Harsche Worte am EU-Flüchtlingsgipfel

Es gehe nicht an, dass gewisse Länder keine Flüchtlinge aufnähmen, sagte der österreichische Kanzler Werner Faymann am EU-Gipfel. Er warnt, dass Österreich die Beiträge an die EU – und damit an Osteuropa – kürzen könnte.

Der Ton in der Flüchtlingskrise ist harsch geworden: Österreichs Kanzler Werner Faymann drohte vor dem EU-Gipfel mit der Kürzung der EU-Beiträge seines Landes, falls sich die osteuropäischen Länder nicht an der Aufnahme von Flüchtlingen beteiligen.

«So geht's nicht», sagte Faymann zum Gipfelauftakt in Brüssel zur Verweigerungshaltung mehrerer osteuropäischer Länder bei der Flüchtlingsaufnahme. Alle 28 EU-Länder müssten sich beteiligen, «da kann sich niemand drücken». In einem Interview mit der Zeitung «Welt» drohte er schon vorab: Wer sich weigere, mache es «Nettozahlern wie Österreich künftig sehr schwer, weiterhin so viel Geld einzuzahlen.»

Faymanns Worte zeigten, «wie dramatisch die Lage ist», sagte EU-Parlamentspräsident Schulz. Während die EU-Nettozahler Flüchtlinge aufnähmen, wollten sich «die Nehmerländer an der Bewältigung der Problematik nicht beteiligen». Letztlich sei es dann «ein normaler Vorgang», dass die belasteten Länder sagten, «wir müssen dann bei der Revision des Haushalts die Prioritäten verändern».

Widerstand aus Osteuropa

Die meisten osteuropäischen Staaten bekommen mehr Geld von der EU als sie an Beiträgen zahlen – etwa weil die EU den Aufbau von Infrastruktur massiv fördert. Grösste Nettoempfänger waren zuletzt Polen und Ungarn.

Doch gerade Länder aus Osteuropa sperren sich vehement gegen die beschlossene Umverteilung von 160'000 Flüchtlingen innerhalb Europas. Damit sollen die Hauptankunftsländer Italien und Griechenland ein wenig entlastet werden.

Der ungarische Ministerpräsident Viktor Orban kritisierte umgehend den Vorstoss von Faymann. Bestimmte linke Regierungen würden versuchen, «uns zu erpressen», sagte er. «Das ist nicht die Art und Weise, wie sich Europäer benehmen.»

Aufnahme von Flüchtlingen aus der Türkei

Während dieses Problem die EU entzweit, wirbt die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel für die Aufnahme weiterer Flüchtlinge direkt aus der Türkei, wo zurzeit rund zwei Millionen Flüchtlinge aus Syrien leben.

Ein Vor-Treffen von Spitzenvertretern aus insgesamt elf EU-Staaten mit dem türkischen Regierungschef Ahmet Davutoglu bezeichnete sie als «sehr gut». Deutschland und andere EU-Staaten bereiten laut Diplomaten die Übernahme von Flüchtlingskontingenten aus der Türkei auf freiwilliger Basis vor. Zahlen wurden nicht genannt.

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Der «Club der Willigen», wie die elf EU-Länder auch genannt werden, steht allen 28 Mitgliedstaaten offen. Die niederländische EU-Ratspräsidentschaft, die vom 1. Januar an die Amtsgeschäfte der EU führt, wird eine Arbeitsgruppe einsetzen.

Österreichs Bundeskanzler Faymann hatte sich am Mittwoch dafür ausgesprochen, Ankara «40'000 bis 50'000» Flüchtlinge abzunehmen. Der niederländische Regierungschef Mark Rutte sagte nach dem Treffen der Elfergruppe mit Davutoglu in Brüssel, solche Pläne seien jedoch erst vorstellbar, wenn die Flüchtlingszahlen «gegen Null gehen». Belgien als weiteres Gruppenmitglied schloss eine Beteiligung aus.

EU-Kommission will gemeinsamen Grenzschutz

EU-Kommissionschef Jean-Claude Juncker rechnete beim Gipfel unterdessen mit Rückendeckung für seinen Vorschlag für eine europäische Grenz- und Küstenschutzbehörde. «Ich gehe davon aus, dass es grundsätzlich Zustimmung gibt», sagte er.

SRF-Korrespondent Oliver Washington teilt diese Einschätzung. Beim Ziel, die EU-Aussengrenzen bis kommenden Frühling besser zu schützen, herrsche konsens. «Sonst wäre Schengen in Gefahr und das will niemand.» Offen bleibe aber, ob das geplante Grenzwachtkorps auch gegen den Willen betroffener Länder operieren könne.

Die EU-Kommission will eine Art schnelle Eingreiftruppe an die Aussengrenze eines Mitgliedsstaates schicken können, wenn das Land seinen Verpflichtungen nicht nachkommt. Wegen des Eingriffs in die Souveränitätsrechte stösst der Vorschlag auf Widerstand mehrerer EU-Länder.

Merkel sagte, sie werde den Vorstoss «sehr stark unterstützen». Auch wenn in Brüssel noch nichts entschieden werde, hoffe sie auf eine Gipfel-Empfehlung zu «sehr schnellen» Beratungen über die Frage.

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