Frank-Walter Steinmeier von der SPD soll neuer deutscher Bundespräsident werden. Neben seiner eigenen Partei unterstützen nun auch die CDU und die CSU die Kandidatur des derzeitigen Aussenministers.
Bundeskanzlerin Angela Merkel hat vor den Medien erklärt: «Steinmeier ist ein Mann der politischen Mitte – geachtet in Wirtschaft und Gesellschaft, im In- und Ausland. Aus diesem Grund ist er für das Amt des Bundespräsidenten ausgezeichnet geeignet.» Was sie nicht sagte: Steinmeier wäre auch ein möglicher Kanzlerkandidat gewesen. Warum ihn jetzt die CDU, CSU und SPD für die repräsentative Rolle des Bundespräsidenten vorgeschlagen haben, weiss Gerd Appenzeller.
SRF News: Ist die Nominierung für Aussenminister Steinmeier eine Beförderung oder eine Wegbeförderung?
Gerd Appenzeller: Für Steinmeier ist es unbedingt eine Beförderung. Bundespräsident zu werden, ist eine tolle Aufgabe in diesem Land. Wegbeförderung – vielleicht aus Sicht von Bundeskanzlerin Merkel. Denn ein sozialdemokratischer Kanzlerkandidat Steinmeier wäre für sie sehr unangenehm geworden – viel, viel unangenehmer als ein Kanzlerkandidat Sigmar Gabriel.
Wäre ein etablierter Aussenminister wie Steinmeier derzeit nicht nützlicher in seinem jetzigen Amt als in der weitgehend repräsentativen Rolle des Bundespräsidenten?
Das kann man so sehen. Ich bin sicher, die SPD wird auch noch einen anderen geeigneten Kandidaten für das Amt des Aussenministers finden. Wichtig scheint mir, dass gerade die repräsentative Funktion des Staatsoberhauptes von einem Mann oder einer Frau wahrgenommen wird, die internationales Ansehen hat und über die Landesgrenzen hinaus als absolut integer gilt. Gerade im Hinblick auf das, was sich in den USA getan hat, scheint mir das besonders wichtig.
Finanzminister Wolfgang Schäuble sagt, die Unterstützung für Steinmeier sei eine Niederlage für die CDU. Hat er Recht?
Er hat insoweit Recht, als dass die CDU/CSU die stärkste Fraktion des Bundestags stellt und gleichwohl nicht in der Lage war, eine Kandidatin oder einen Kandidaten zu nominieren, der Chancen gehabt hätte, die Mehrheit in der Bundesversammlung zu kriegen. So gesehen ist es eine Niederlage der Union. Es ist aber auch eine Niederlage der Bundeskanzlerin. Sie versucht seit Jahren, immer wieder Präsidentschaftskandidaten durchzubringen, und hat dabei in der Vergangenheit eine ausgesprochen unglückliche Hand bewiesen. Wobei ich betone, dass ich die Wahl von Frank-Walter Steinmeier nicht für unglücklich halte.
So gesehen ist es eine Niederlage der Union. Es ist aber auch eine Niederlage der Bundeskanzlerin.
Ist es denn ein Triumph für die Sozialdemokraten, die in den Umfragen unglaublich schlecht dastehen?
Es ist ein taktischer Triumph für Sigmar Gabriel, der die Tatsache ausgenutzt hat, dass die CDU und CSU, die sich ja wegen der Flüchtlingsfrage ziemlich zerstritten haben, auch in diesem Punkt keine Einigkeit erzielen konnten. Angela Merkel hätte – wie man hört – sehr gerne den baden-württembergischen Ministerpräsidenten Winfried Kretschmann von den Grünen als Präsidentschaftskandidaten auf den Schild gehoben. Aber das wäre das Signal einer möglichen schwarz-grünen Bundesregierung ab Herbst kommenden Jahres gewesen, und das wollte die CSU mit aller Gewalt verhindern.
CDU, CSU und SPD haben sich auf einen gemeinsamen Kandidaten geeinigt. Heisst das nun, dass die grosse Koalition auch nach den Wahlen vom nächsten Jahr bestehen bleiben?
Da würde ich spontan Nein sagen. Aber wenn man sich die Wahlumfragen anschaut, reicht es im Moment nicht für Rot-Rot-Grün – wenn ich die Zahlen richtig im Kopf habe. Schwarz-Grün kommt im Moment auch nicht infrage, und die CSU würde da – wie gesagt – nicht mitmachen. Also könnte es sein, dass eine neue grosse Koalition eine mögliche Option ist. Aber wir sind ein Jahr vor der Bundestagswahl entfernt: In diese Richtung zu spekulieren, wäre voreilig.
Das Gespräch führte Roman Fillinger.