Die Zahl, die Amnesty International nennt, ist plakativ und unmöglich zu überprüfen. Mit den Waffen, die jedes Jahr hergestellt werden, liesse sich, so die Menschenrechtsorganisation, jeder Mensch auf der Erde gleich zweimal töten.
Ein 100-Milliarden-Dollar-Geschäft
Wie dem auch sei: Heute tritt das UNO-Waffenhandelsabkommen in Kraft. Manche sprechen von einem ganz besonderen Weihnachtsgeschenk. Für US-Aussenminister John Kerry ist es ein historischer Moment: «Wir wollen die Welt zu einem sichereren Ort machen.» Das Abkommen sei ein grosser Schritt auf dem Weg dahin. Und der Weg ist steinig.
Denn der Waffenimport und -export ist weltweit gesehen ein 100-Milliarden-Dollar-Geschäft. Ein Geschäft, das bisher keinerlei UNO-Recht unterstand, das international gar nicht reguliert war.
Lange Verhandlungen vorausgegangen
Anna MacDonald vom Hilfswerk Oxfam spricht darum auch von einem «fantastischen Stück Papier», das Menschenleben retten werde. Mehr als zehn Jahre dauerten die Verhandlungen; zuweilen steckten sie in der Sackgasse. Doch im April 2013 konnte das Abkommen endlich unterzeichnet werden. Es brauche diesen Vertrag, der verhindere, dass Menschenrechtsverbrecher an Waffen gelangten, so McDonald.
Menschenrechtsorganisationen, das IKRK und die Schweizer Regierung gehörten zu den engagierten Fürsprechern des internationalen Waffenhandelsvertrags. Erwin Bollinger vom Staatssekretariat für Wirtschaft (Seco), der für die Schweiz verhandelt hat, spricht von einem grossen Durchbruch: «Wenn man sieht, wie lange diese Verhandlungen gedauert haben und seit wann es auf Stufe der UNO erste Bestrebungen gegeben hat, ist dieses Abkommen tatsächlich historisch.»
Schweiz steht kurz vor Ratifizierung
National- und Ständerat haben das Abkommen inzwischen gutgeheissen. Im Januar läuft die Referendumsfrist aus. Dann wird es auch die Schweiz zügig ratifizieren.
Weil im Waffengeschäft Vertrauen naiv und Kontrolle entscheidend ist, braucht das Abkommen Überwachungsmechanismen. Gefordert sind zunächst die Staaten selber.
«Ein wichtiger Teil wird sein, wie die Länder dieses Abkommen umsetzen werden», so Bollinger. Diese würden verpflichtet, eine nationale Gesetzgebung zu erlassen und Kontrollinstanzen aufzubauen. «Das haben noch nicht alle Staaten.»
Jeder Unterzeichnerstaat muss künftig der UNO und damit der Weltöffentlichkeit jährlich Rechenschaft darüber ablegen, welche Waffengeschäfte er zugelassen hat. Wer das Abkommen nicht respektiert hat, muss sich erklären und gerät politisch unter Druck.
Kaum Auswirkung auf legalen Handel
Doch auch der Schweizer Unterhändler Bollinger räumt ein: Das Abkommen ist ein Kompromiss. Andernfalls wäre es unmöglich gewesen, so viele Länder, darunter die lange Zeit zaudernden USA, an Bord zu holen. «Es geht vor allem darum, dass der Schwarz- und Grauhandel nicht mehr möglich sein oder eingeschränkt werden soll. Der legale Handel wird sich wahrscheinlich nicht gross verändern.»
Mit einem richtiggehenden Einbruch der Waffenexporte ist also nicht zu rechnen. Weder die grossen Rüstungsschmieden der Welt müssen bangen, noch die Schweizer Hersteller, die international gesehen Zwerge sind.