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Zwei Soldaten
Legende: Der Tianamen-Platz wird am Jahrestag der Niederschlagung der Demokratiebewegung speziell gesichert. Zwei Soldaten an einem Zugang zum Platz. Reuters

International Hoffen auf ein demokratisches China – aus dem Exil

Mit Panzern und Gewehren schlug Chinas Regierung am 4. Juni 1989 die Studentenproteste in Peking gewaltsam nieder. Wang Dan und Wu’er Kaixi waren damals zwei Anführer der Bewegung. Sie leben heute im Exil in Taiwan und den USA. Ein demokratisches China wünschen sie sich noch immer.

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Wang Dan gibt nun Tipps zur Organisation von politischen Bewegungen, knapp zwanzig Zuhörer sitzen ihm in einem Mehrzweckraum über der Markthalle in der taiwanischen Stadt Xinzhu gegenüber.

Der frühere Anführer der Tiananmen-Proteste war die Nummer eins auf der Fahndungsliste der chinesischen Behörden. Wang Dan sass zwei Mal im Gefängnis. 1998 konnte er aus China ausreisen. Seither lebt er im Exil in den USA und in Taiwan.

Trotz oder wegen der staatlichen Zensur, sagt Wang Dan, seien die Erinnerungen an die Tiananmen-Proteste in China noch präsent: «Erst kürzlich sind Akademiker festgenommen worden, weil sie Gedenkveranstaltungen zum 25. Jahrestag planten. Hier sehen Sie, wie nervös die Regierung heute noch ist, wie heikel die Bewegung für Chinas Politik ist.»

Gewaltsames Ende der Proteste

Wie viele Menschen beim Armeeeinsatz vor 25 Jahren in Peking starben, ist bis heute nicht bekannt. Schätzungen gehen von mehreren Hundert bis mehreren Tausend Toten aus. Dabei liess Chinas Regierung die Studentinnen und Studenten mit ihren Forderungen nach mehr Demokratie zunächst gewähren. Schliesslich setzten sich die Hardliner in der Partei aber durch: Die Proteste wurden gewaltsam beendet.

Wu’er Kaixi, die Nummer zwei auf der Fahndungsliste der Behörden, erinnert sich daran: «Mit meinen eigenen Augen zu sehen, wie Studenten neben mir zu Boden fallen, die Schüsse über unseren Köpfen – das alles hat sich tief in mein Gedächtnis gebohrt.»

Der damals 21-Jährige hatte Glück, ihm gelang die Flucht über Hongkong in den Westen. Wenn man ihn frage, ob er dasselbe nochmals machen würde, zögere er. «Wir wussten ja nicht, dass es so brutal und blutig enden würde. Ich bin stolz, zu einer Generation mutiger chinesischer Studenten gehört zu haben.»

Enttäuscht vom Westen

Eines der bekanntesten Bilder war die weisse Freiheitsstatue, die die Studierenden selbst gebastelt und auf dem Tiananmen-Platz aufgestellt hatten. Über Demokratie habe man damals nicht viel gewusst, sagt Wu’er Kaixi heute, nur dass es eben bedeute, dass das Volk regiere.

Von westlichen Demokratien sei er später enttäuscht worden. Wenn es um China gehe, hätten westliche Regierungen ihre demokratischen Ideale in den letzten fünfundzwanzig Jahren verraten. «Sie stehen jetzt in Peking Schlange, und schütteln die Hände von Mördern. Dies alles aus wirtschaftlichen Interessen.»

Forderung nach Demokratie geht weiter

Die Hoffnung auf ein demokratisches China haben die beiden Dissidenten auch 25 Jahre nach dem Ende der Tiananmen-Proteste nicht aufgegeben. Die chinesische Demokratiebewegung, sagt Wu’er Kaixi, finde jetzt einfach in einer anderen Form statt.

Heute gehe man nicht mehr mit Transparenten auf die Strasse und demonstriere für mehr Demokratie. «Stattdessen tut dies eine kleine Boulevardzeitung, indem sie die Zensurregeln dehnt, um ihre Auflage zu erhöhen. Oder Aktienbesitzer tun es, die den freien Zugang zu Informationen wollen, oder Internet-User, die die Meinungsfreiheit fordern.»

Schon lange im Exil

Wu’er sagt: «Ich bin geflohen, weil ich nicht im Gefängnis landen wollte. Nie hätte ich gedacht, dass ich so lange im Exil leben müsste – länger als ich in China verbracht hatte.» Das sei auch für seine Eltern traurig. Ihnen sei es nicht erlaubt das Land zu verlassen und ihn zu besuchen.

Wu’er Kaixi will zurück nach China, auch um mit der Regierung in einen Dialog zu treten; das war eine der zentralen Forderungen der Studentenproteste. Er sei bereit, diesen Dialog auch als Angeklagter in einem Gerichtssaal zu führen. Doch Chinas Regierung scheint daran kein Interesse zu haben. Den einst zur Festnahme ausgeschriebenen Dissidenten lässt sie nicht mehr zurück ins sein Heimatland.

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