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International Hohe Hürde für ein Kopftuchverbot

Darf ein Unternehmen von den eigenen muslimischen Mitarbeiterinnen verlangen, auf das Kopftuch zu verzichten? Die vorberatende Instanz des Europäischen Gerichtshofs sagt: Das geht nicht einfach so.

Ein französisches Ingenieur-Unternehmen hat eine seiner Mitarbeiterinnen entlassen, weil sie sich weigerte, auf das Kopftuch zu verzichten. Die Frau war im Aussendienst als Ingenieurin tätig, besuchte die Kunden in deren eigenen Geschäftsräumen und betreute sie vor Ort. Die Frau trug immer ein Kopftuch und soll sehr kompetent gewesen sein.

Symbolbild: Zwei Frauen mit Kopftuch sitzen auf Stühlen, mit dem Rücken gegen den Fotografen.
Legende: Es gibt hohe Hürden, damit ein Arbeitgeber einer Angestellten das Kopftuch verbieten darf. Keystone

Unrechtmässige Diskriminierung?

Nach einem solchen Besuch beschwerte sich ein Kunde, seine Angestellten hätten am Kopftuch der Frau «Anstoss genommen». Der Kunde verlangte, dass es «nächstes Mal keinen Schleier geben möge».

In der Folge forderte die Ingenieur-Firma ihre Mitarbeiterin auf, künftig auf das Kopftuch zu verzichten. Nachdem sie sich weigerte, wurde sie entlassen. Der Europäische Gerichtshof EUGH muss nun abklären, ob der Arbeitgeber das darf, oder ob dies eine unrechtmässige Diskriminierung ist.

Die Generalanwältin des EUGH – sie ist die vorberatende Instanz – stellt nun fest, dass eine Arbeitskollegin, die ihre Religion oder Weltanschauung nicht öffentlich gezeigt hätte, nicht entlassen worden wäre. Deshalb sei diese Entlassung eine unmittelbare Diskriminierung; sie verletze die Religionsfreiheit.

Religionsfreiheit eingeschränkt

Trotzdem gibt es Fälle, in welchen ein Unternehmen von einer Mitarbeiterin oder einem Mitarbeiter verlangen kann, auf ein religiöses Symbol zu verzichten. In der entsprechenden EU-Richtlinie heisst es juristisch trocken, dass wesentliche berufliche Anforderungen ein solches Verbot rechtfertigen können. Das Unternehmen muss also begründen, dass die Mitarbeiterin die Aufgabe mit Kopftuch nicht wahrnehmen kann.

Allerdings legt die Generalanwältin diesen Passus sehr eng aus. Sie erwähnt als Beispiel den Fall einer Muslimin, die an einer Maschine arbeitet und das Kopftuch deshalb gefährlich sein kann. Aber die blosse Aufforderung eines Kunden genüge nicht, die Frau in ihrer Religionsfreiheit dermassen einzuschränken und ihr dann auch noch zu kündigen.

Kopftuch trotz wirtschaftlichem Schaden?

Bemerkenswert ist, dass die Generalanwältin in ihrer Beurteilung explizit in Kauf nimmt, dass das Unternehmen wegen dem Kopftuch einen wirtschaftlichen Schaden erleiden könnte, falls der Kunde abspringen sollte. Die Generalanwältin gewichtet die Religionsfreiheit und das Diskriminierungsverbot also höher als die Interessen des Unternehmens.

Diese Überlegungen bilden nun die Grundlage für das Gericht, das in dem Fall dann abschliessend entscheiden wird.

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