In der Flüchtlingskrise vom vergangenen Jahr würde Bundeskanzlerin Angela Merkel aus heutiger Sicht genau so handeln wie 2015. Der «Bild»-Zeitung sagte Merkel auf eine entsprechende Frage: «Ja, das würde ich.»
An jenem September-Wochenende sei es nicht darum gegangen, «die Grenze für alle zu öffnen, sondern sie für diejenigen nicht zu schliessen, die sich in grosser humanitärer Not aus Ungarn zu Fuss auf den Weg zu uns gemacht hatten».
Keine Einladung für Flüchtlinge
Merkel widersprach auch der These, dass ihre Entscheidungen weltweit als Einladung und Ermunterung für Flüchtlinge verstanden worden seien, sich überhaupt erst auf den Weg zu machen: «Schon Mitte August» des vergangenen Jahres habe der deutsche Innenminister die Prognose abgegeben, «dass wir im Jahr 2015 mit 800'000 Flüchtlingen rechnen müssten.»
Diese Prognose sei dann «allerdings in der Tat zum Beispiel in Afghanistan von Schleppern als Bereitschaft Deutschlands, 800'000 Afghanen aufzunehmen, missbraucht und von manchen in der Folge missverstanden worden».
EU-Abkommen mit Türkei verteidigt
Die Kanzlerin Merkel verteidigt darüber hinaus das Flüchtlingsabkommen der EU mit der Türkei gegen Kritik. Sie blieb auch bei ihrer Einschätzung, dass nicht die Schliessung der Balkanroute, sondern die Übereinkunft mit der Türkei entscheidend gewesen sei für die Eindämmung des Flüchtlingsstroms.
Die EU-Türkei-Vereinbarung sei «der Schlüssel zur Überwindung des Schlepperwesens in der Ägäis und zur Stabilisierung der Lage in Griechenland» gewesen. «Vieles ist erreicht, aber die Krise ist längst nicht überwunden», sagt die Regierungschefin.
UNO beklagt Lage syrischer Flüchtlinge
Während Merkel ihr Vorgehen im vergangenen Jahr verteidigt, beklagt der UNO-Nothilfekoordinator Stephen O'Brien die katastrophalen Lebensbedingungen von mehr als 70'000 syrischen Flüchtlinge, die an der Grenze zu Jordanien festsitzen. Die Menschen lebten dort unter «entsetzlichen» Bedingungen.
Die Schutzsuchenden bräuchten dringend Hilfe und humanitäre Unterstützung, es fehle an Nahrungsmitteln und Wasser, sagte O'Brien nach einem Besuch mehrerer Flüchtlingslager.
Hilfen nach Anschlag gestoppt
Jordanien hatte im Juni die Durchfahrt für Hilfslieferungen an die Flüchtlinge im Grenzgebiet gestoppt, nachdem bei einem Selbstmordanschlag in der Region sieben Soldaten des Landes getötet worden waren.
Zu dem Angriff bekannte sich die Terrormiliz Islamischer Staat (IS). O'Brien sagte dazu, er habe Verständnis für die Sorgen Jordaniens, die Sicherheitsbedenken des Landes seien «sehr legitim».
Verhandlungen mit Amman
Seinen Worten zufolge laufen derzeit Verhandlungen mit der Regierung in Amman, wie die Hilfslieferungen die Flüchtlinge erreichen könnten, ohne dass die Sicherheit Jordaniens gefährdet sei.
Das kleine Land beherbergt nach Angaben der UNO bereits mehr als 600'000 syrische Flüchtlinge, die Regierung in Amman spricht sogar von 1,4 Millionen geflüchteten Menschen. Jordanien hatte in der Vergangenheit immer wieder beklagt, mit seinen Kapazitäten am Ende zu sein, und die internationale Gemeinschaft um Hilfe gebeten.