US-Präsident Barack Obama hat Nordkorea vor neuen Provokationen gewarnt, denn die südkoreanische Regierung vermutet einen baldigen Atomtest des kommunistischen Regimes. «Drohungen werden Nordkorea nur noch mehr in die Isolation treiben», sagte Obama nach Gesprächen mit Südkoreas Präsidentin Park Geun Hye in Seoul. Es sei möglicherweise Zeit, über Sanktionen gegen Nordkorea nachzudenken, «die mehr beissen». Zugleich hinterfragte Obama aber die Wirksamkeit neuer Strafmassnahmen auf das abgeschottete Land.
Vor dem Hintergrund zunehmender Spannungen einigten sich Obama und Park, dass der für 2015 geplante Transfer der Truppen-Befehlsgewalt im Kriegsfall von den US-Streitkräften an Südkorea überdacht werden solle. Die USA haben derzeit 28'500 Soldaten in Südkorea stationiert.
Washington befürchtet Technologiesprung Nordkoreas
Wie schon einen Tag zuvor in Japan sicherte Obama auch Südkorea die Bündnistreue der USA zu. «Die USA und Südkorea stehen Schulter an Schulter, sowohl angesichts der Provokationen Pjöngjangs, als auch was unsere Weigerung betrifft, Atomwaffen in Nordkorea zu akzeptierten», sagte er. Das Atom- und Raketenprogramm Nordkoreas seien auch eine direkte Bedrohung für die USA. Washington befürchtet, dass Nordkorea bei technischen Fortschritten einen Nuklearsprengkopf auf Interkontinentalraketen montieren kann, die US-Festland erreichen könnten.
Dem Regime in Pjöngjang warf Obama eine rücksichtslose Aussenpolitik vor. Er sei wegen des Leidens der nordkoreanischen Bevölkerung sehr besorgt. Die Tür zu einem Dialog mit dem nordkoreanischen Machthaber Kim Jong Un sei zwar offen, es müsse dabei aber auch die Denuklearisierung des Landes auf den Tisch kommen.
Mehr als UNO-Sanktionen
Park warnte, dass ein neuer Nukleartest nicht nur striktere UNO-Sanktionen nach sich ziehen würde. Bei einem neuen Atomtest durch Nordkorea werde sich die Sicherheitslandschaft Nordostasiens grundlegend ändern. Die Sechs-Parteien-Gespräche über Nordkoreas Atomprogramm würden dadurch wirkungslos. Die Gespräche zwischen Nordkorea, den USA, China, Südkorea, Russland und Japan sind schon seit Jahren eingefroren.
Am Freitag vertrieb Südkoreas Militär nach eigenen Angaben mit Warnschüssen zwei nordkoreanische Patrouillenboote aus südkoreanischen Gewässern. Der Zwischenfall ereignete sich an der umstrittenen Seegrenze im Gelben Meer. Unklar sei, ob die Boote die Grenze bei der Kontrolle nordkoreanischer Fischkutter überfahren haben, hiess es.
Gedenken der Opfer des Fährunglücks
Überschattet ist der Besuch Obamas in Südkorea auch vom Untergang der südkoreanischen Fähre «Sewol» vor mehr als einer Woche vor der Südwestküste des Landes. Zum Auftakt des Treffens mit Park äusserte Obama im Namen aller Amerikaner sein Mitgefühl.
Die Zahl der geborgenen Todesopfer stieg am Freitag auf über 180. Noch immer gelten rund 120 der ursprünglich 476 Insassen als vermisst. Als Zeichen des Trosts übergab Obama der Präsidentin einen Magnolienbaum und die amerikanische Nationalflagge, die zur Zeit des Fährunglücks am Weissen Haus gehisst worden war.