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International Juncker wird höchster Europäer

Die EU-Staats- und Regierungschefs schlagen den Luxemburger Jean-Claude Juncker zum neuen EU-Kommissionspräsidenten vor. Der britische Premier Cameron hat das Nachsehen.

Was sich seit Tagen abgezeichnet hatte, ist nun eingetroffen: Jean-Claude Juncker wurde von den EU-Staats- und Regierungschefs in Brüssel zum neuen EU-Kommissionspräsidenten vorgeschlagen.

Nur Grossbritannien und Ungarn stimmten gegen den Konservativen. Unterstützung bekam der Luxemburger von den sozialdemokratischen Regierungschefs aus Frankreich, Österreich, Italien, Belgien, Dänemark und Tschechien.

Die Abstimmung in der Gipfelrunde war ein Novum. Bisher wurde der Chef der mächtigen Behörde einvernehmlich von den Staatenlenkern bestimmt.

Junckers Ernennung sei fürs EU-Parlament mehr als nur ein symbolischer Erfolg, sagt SRF-Korrespondent Urs Bruderer. Würde in fünf Jahren der nächste EU-Kommissionspräsident wieder mit dem Spitzenkandidaten-Modell gestellt, habe das einen Einfluss auf die Politik der EU: «Sie würde demokratischer.»

Wird Juncker im Juli vom EU-Parlament bestätigt, tritt der Christdemokrat im November die Nachfolge José Manuel Barrosos an. Das Mandat für die Kommissionsspitze läuft fünf Jahre.

Bestätigt hatte die Nominierung EU-Ratschef Herman Van Rompuy am Nachmittag auf Twitter: «Der Entscheid ist gefallen.» Man schlage Juncker als nächsten Präsidenten der EU-Kommission vor.

Der grosse Verlierer ist der britische Premier David Cameron. Seine Fundamentalopposition gegen den 59-jährigen Juncker fruchtete nicht.

SRF-Korrespondent Bruderer glaubt nicht, dass dies Cameron in Brüssel schaden werde. Schliesslich habe sich Cameron aus innenpolitischen Gründen gegen Juncker gestellt. «Eine andere Frage ist, wie das in Grossbritannien ankommt.»

Via Twitter teilte Cameron am Abend mit, dass er das neue Nominierungsverfahren für einen Fehler halte, den die Regierungschefs noch bereuen würden. «Ich werde mich immer für die Interessen Grossbritanniens einsetzen.»

Allerdings, neue Freunde dürfte sich Cameron mit seiner sturen Art nicht gemacht haben, so SRF-Korrespondent Urs Gredig. «Doch auch wenn Cameron heute in Brüssel als Verlierer dastehen mag, so dürfte er in London mit seiner Rolle als Don Quichote, der gegen die Windmühlen der EU kämpft, durchaus gepunktet haben», so Gredig.

Aber nicht bei der EU-feindlichen UKIP. Die hat bereits ein sofortiges Referendum zum EU-Ausstieg Grossbritanniens gefordert. Das Referendum, das Cameron für 2017 in Aussicht gestellt habe, müsse noch vor der Parlamentswahl im Mai stattfinden, sagte der UKIP-Europaabgeordnete David Coburn.

EU-Parlament geht gestärkt hervor

Die Wahl Junckers ist ein Sieg fürs EU-Parlament. Mit der Ernennung von Spitzenkandidaten bei der EU-Wahl hatte es die EU-Staats- und Regierungschefs in eine unangenehme Situation gebracht.

Zwar sind laut Verträge die EU-Chefs nur verpflichtet, bei ihrem Kandidatenvorschlag an das Parlament «das Ergebnis der Wahlen» zu berücksichtigen. Doch hat das EU-Parlament unmissverständlich klar gemacht: Einen anderen Kandidaten als Juncker akzeptiert es nicht.

Um die Benennung des früheren luxemburgischen Ministerpräsidenten hatte es monatelang Streit gegeben. Jean-Claude Juncker war bei der Europawahl der Spitzenkandidat der konservativen europäischen Parteienfamilie EVP, die die stärkste Fraktion im neuen Europäischen Parlament stellt.

Sanktionen gegen Russland könnten kommen

Am zweiten Tag des Gipfels war es zunächst vor allem um die Lage in der Ukraine gegangen. Deren Präsident Petro Poroschenko wird als Gast über die Lage in seinem Land sprechen. Dabei dürften auch weitere Sanktionen gegen Russland ein Thema sein. Zudem unterzeichnen die Gipfelteilnehmer Partnerschaftsabkommen mit der Ukraine, aber auch mit Georgien und Moldawien .

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