Der amtierende Bürgermeister Sergej Sobjanin gewinnt die Wahl in Moskau überraschend knapp. Der Amtsinhaber erreichte laut dem offiziellen Endergebnis mit 51,4 Prozent nur knapp die notwendige Mehrheit, mit der er um eine Stichwahl herumkommt. «Das Resultat ist für den Kreml sehr unangenehm.» Er habe schlicht nicht damit gerechnet, dass Nawalny ein solches Resultat erreichen würde, sagt SRF-Korrespondentin Brigitte Zingg in Moskau.
Die diesjährige Wahl zeige aber, dass der Kreml die Opposition zumindest zu Kenntnis nehme: «Im Gegensatz zu den letzten Wahlen wurden die Oppositionskandidaten diesmal sogar zugelassen», sagt Brigitte Zingg. Eine Konsequenz davon ist, dass in der Millionenstadt Jekaterinburg der Kandidat der Opposition den Kandidaten des Kremls sogar geschlagen hat.
«Nicht-Kreml» genügt
Die vielen Stimmen für den Oppositionsführer Nawalny in Moskau erklärt sie so: «Nawalny ist für die Mittelschicht in Moskau wichtig. Die Moskauer ärgern sich über die Vetternwirtschaft in der Stadtverwaltung und in der Stadtregierung.» Die Leute in Moskau ärgerten sich besonders über ungleiche Massstäbe in Strafverfahren. Die Frustration der Leute sei spürbarer denn je. «Frustriert sind sie vor allem über das politische Establishment. Dieses spricht immer nur davon, die Korruption zu bekämpfen, macht aber nichts.» Nawalny gehöre nicht zu dieser Kreml-Garde, sagt Zingg. «Schon allein deshalb gilt er als Hoffnungsträger.»
Nawalny wurde kürzlich zu einer Strafe von fünf Jahren Arbeitslager verurteilt. Ob er aber weggesperrt werde, sei noch völlig offen, sagt Zingg. «Vor der Wahl haben die Kreml-Politologen gesagt, dass er ins Gefängnis müsse, wenn er fünf bis zehn Prozent der Stimmen erreiche.» Nun hat er mehr als zwanzig Prozent erreicht. «Jetzt muss der Kreml ihn ernstnehmen.»