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Ein Mann mit einem Rollkoffer steht vor einem Bankomaten. Linsk und rechts Graffitti an der Wand.
Legende: Für Millionen Amerikaner entspricht dieses Bild nicht der Realität: Sie haben kein Konto, um bei Bedarf Geld abzuheben. Reuters

International Kreditzirkel in den USA auf dem Vormarsch

Rund 60 Millionen Menschen in den USA sind quasi vom Finanzsektor ausgeschlossen. Sie haben keine Chancen auf einen Kredit, und 17 Millionen von ihnen haben kein Bankkonto. Deshalb können sie Geld nur zu Wucherzinsen aufnehmen. Der «Mission Asset Fund» bietet einen Ausweg.

Shweta Kohli tritt schwungwoll ins Café und fängt an zu reden, noch bevor sie Platz nimmt. Die junge Inderin ist vor sieben Jahren in die USA gekommen, um zu studieren. Jetzt hat sie einen guten Job bei einer Tech-Firma. Sie erwartet demnächst, die US-Bürgerschaft zu erhalten. Ein Kapitel in ihrer Erfolgsgeschichte ist die Teilnahme in einem Kreditvergabezirkel, erklärt sie.

«Als Immigrantin war meine Kreditwürdigkeit unsicher und deshalb wollte mir keine Bank eine Kreditkarte geben.» Shweta Kohli, die eben die Universität abgeschlossen hatte und eine Stelle suchte, brauchte aber ein Auto. Sie ging zum «Mission Asset Fund». Dort kam sie in eine Gruppe mit zehn Menschen. Alle verpflichteten sich, pro Monat hundert Dollar einzuzahlen. Jeden Monat erhielt ein Mitglied der Gruppe einen zinsfreien Kredit von 1000 Dollar. Shweta Kohli kaufte sich einen Ford Mustang.

In einer zweiten Runde investierte sie das Geld in ihre Bewerbung für die US-Bürgerschaft. Weil sie ihre Raten stets pünktlich bezahlte, verbesserte sich ihre Kreditwürdigkeit. Diesen Weg will sie weiter gehen, bis sie von einer Bank zu guten Konditionen eine Hypothek erhält, um eine Wohnung zu kaufen.

Knackpunkt Kreditwürdikeit

In den USA gelten über 60 Millionen erwachsene Menschen als nicht kreditwürdig. 17 Millionen haben kein Bankkonto. Somit fehlen ihnen wichtige Voraussetzungen, wenn sie eine Wohnung mieten oder kaufen wollen, oder wenn sie einen Kredit benötigen. Mexikanische Einwanderer beschaffen sich das Geld deshalb bei traditionellen Kreditzirkeln, in denen sie einander gegenseitig Geld ausleihen.

Die soziale Kontrolle dient als Sicherheit. Dies inspirierte den «Mission Asset Fund», erklärt Gründer José Quinonez: «Unsere Idee war, das zu formalisieren, indem wir einen Schuldschein schreiben, das ganze für die Finanzinstitute verständlich machen und Meldungen an die Kreditbüros machen.» Damit können die Teilnehmden ihre Kreditwürdigkeit verbessern, was in traditionellen Kreditzirkeln nicht möglich ist.

Raus aus der Schattenwelt

«Mission Asset Fund» wird von verschiedenen Stiftungen und Banken finanziert. Die Organisation bietet einen Weg hinaus aus der finanziellen Schattenwelt. «Wir haben hier in den USA zwei Finanzmärkte», erklärt Quinonez. «Jene für die reicheren Menschen mit tiefen Zinsraten und konsumentenfreundlichen Bedingungen, und jene der ‹Pay-Day-Lenders› für die Menschen ohne Zugang zum Finanzsystem.»

«Pay-Day-Lenders» vergeben kurzfristige Kredite an alle, allerdings zu Wucher-Jahreszinsraten um die 500 Prozent. Teilnehmende der Kreditzirkel im «Mission Asset Fund» hingegen erhalten neben dem zinsfreien Kredit auch finanzielle Ausbildung, was ebenso wichtig sei, sagt deren Gründer Quinenoz.

«Unser Ziel ist, dass sie eines Tages in eine Bank spazieren und faire Bankdienstleistungen verlangen können.» In den letzten sieben Jahren haben bereits Tausende von Männern und Frauen in den Kreditzirkeln des «Mission Asset Fund» mitgemacht. Die Ausfallrate ist tiefer als ein Prozent.

Und das Modell findet immer mehr Nachahmer: Seit drei Jahren arbeitet «Mission Asset Fund» mit Non-Profit-Organisationen in anderen US-Bundesstaaten zusammen. 26 sind es nun; in Oregon, Washington, Nevada und Massachusetts. Dort wurden nach gleichem Vorbild Kreditzirkel gegründet, damit mehr Menschen in den USA den den Schritt hinaus aus dem finanziellen Schattendasein schaffen.

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