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International Krieg in Somalia wird zum Problem für Kenia

Die Geiselnahme in einem Einkaufszentrum der kenianischen Hauptstadt Nairobi ist nach Regierungsangaben beendet. Zu dem Überfall bekannte sich die islamistische Al-Schabaab-Miliz. Doch wer sind die Gotteskrieger und wer unterstützt sie?

Kämpfer in Uniform mit Patronengürtel und schwarzen Tüchern um den Kopf exerzieren in der Wüste.
Legende: Gut versorgt dank Spenden aus dem Ausland: Eine Einheit der Al-Schabaab-Milizen beim Training (Archiv). Keystone

Ein islamistisches Kommando hatte sich seit Samstag in der Westgate Shopping Mall in Nairobi verschanzt. Rund 70 Menschen starben dabei. Die in Somalia ansässige Al-Schabaab-Miliz bekannte sich zu der Tat.

Nun wurden die letzten Kämpfer von Regierungstruppen überwältigt. Laut dem Sicherheitsexperten Guido Steinberg könnten Anschläge im Ausland ein Zeichen der Schwäche der Organisation sein.

SRF: Wie gefährlich ist dieser schlimmste Anschlag seit 1995 für die Sicherheitslage in Kenia?

Guido Steinberg: Ich denke, dass dieser Anschlag gefährlich ist, da er auf innenpolitische Bruchlinien hinweist. Es gibt in den letzten Jahren immer häufiger Hinweise auf eine Radikalisierung von Kenianern. Und diese Radikalisierung ist ein Hinweis darauf, dass die Konflikte zwischen den einzelnen Bevölkerungsgruppen – auch zwischen Muslimen und Christen – in den nächsten Jahren zunehmen.

Haben die Al-Schabaab-Milizen Unterstützung in Kenia?

Guido Steinberg

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Portrait von Guido Steinberg

Der promovierte Islamwissenschaftler ist Sicherheitsexperte bei der Stiftung Wissenschaft und Politik (SWP) in Berlin. Bis 2005 arbeitete er als Terrorismusreferent für die deutsche Regierung. An der SWP erforscht er die Politik des Nahen Ostens und den islamistischen Terrorismus.

Ja. In Kenia hat sich in den letzten Jahren gezeigt, dass die Schabaab dort eine wirklich sehr gut funktionierende Infrastruktur haben. Ganze Viertel der Hauptstadt Nairobi gelten als islamistisch dominiert. Dort muss man hingehen, wenn man an der Seite der somalischen Schabaab kämpfen will. Hinzu kommt eine stetig wachsende Zahl von somalischen Flüchtlingen in der Grenzregion. Hier zeigt sich, dass dieser nunmehr fast 20-jährige somalische Konflikt auch für Kenia zu einem innenpolitischen Problem wird.

Das heisst, der somalische Konflikt wird in die Nachbarstaaten exportiert?

Hier findet eine gewisse Internationalisierung statt. Man muss sich aber gleichzeitig fragen, ob diese Anschläge im Ausland nicht auch ein Zeichen für die Schwäche der Schabaab sind. Sie haben nämlich schon vor drei Jahren angefangen, die Nachbarstaaten anzugreifen, die militärisch im somalischen Bürgerkrieg intervenieren. Damals galten die Anschläge Uganda, jetzt Kenia. Und das in einer Zeit, in der die Schabaab in ihrem Hauptkampfgebiet, nämlich in Süd- und Zentralsomalia, doch arg in die Defensive geraten sind.

Man muss hier mal abwarten, ob das der Auftakt zu einer grossen Offensive im Nachbarland ist, oder vielleicht ein Hinweis darauf, dass die Organisation in Somalia mittlerweile so schwach ist, dass sie nach neuen Operationsgebieten sucht.

Es heisst, die Al-Schabaab-Miliz kooperiere mit der Al-Kaida. Trifft das zu?

Die Schabaab sind insgesamt eine Organisation, die sich schon seit ihrer Gründung im Jahr 2005-2006 eng an Al-Kaida orientiert. Das kommt daher, dass ihre wichtigsten Gründungsmitglieder schon in den 1990er-Jahren und in den frühen 2000er-Jahren mit Al-Kaida im Kontakt standen.

Einige der Führungsmitglieder sollen in Afghanistan und Pakistan ausgebildet worden sein. Im letzten Jahr hat die Organisation auch erklärt, dass sie sich Al-Khaida angeschlossen habe. Ich halte sie aber für eine unabhängige Organisation. Sie ist bisher ja auch nur in Somalia und in einigen Nachbarländern aktiv geworden.

Wie gross ist diese Organisation und wer liefert ihr Waffen?

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Die Schabaab sind eine Gruppe von einigen Tausend Kämpfern. Ich gehe davon aus, dass ihre Zahl sich eher im niedrigen vierstelligen Bereich bewegt. Wobei sie dann doch immer wieder in der Lage sind, im somalischen Bürgerkrieg grössere Truppenzahlen zu mobilisieren. Sie sind dort eine Kraft seit 2006 und werden wohl auch eine Kraft bleiben. Sie erheben Steuern und Abgaben in den kleinen Gebieten, die sie kontrollieren. Sie versuchen auch, die somalische Diaspora zu besteuern.

Sie erhalten zudem Spenden aus den USA, Europa, aber vor allem auch aus den Nachbarländern wie Kenia, wo sehr viele Somalis leben. Und sie erhalten Spenden aus der arabischen Welt. Für diese insgesamt dann doch sehr kleine Zahl von Kämpfern haben sie deshalb auch keine Probleme, die Waffen zu besorgen. Einiges wird aus dem Jemen geliefert, aber auch aus den Nachbarländern. Und nicht zuletzt ernährt sich der somalische Bürgerkrieg auch aus dem Krieg selbst.

Das Gespräch führte «Echo der Zeit»-Moderatorin Ursula Hürzeler.

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