- Kroatien schliesst sieben seiner acht Grenzübergänge zu Serbien
- Die EU-Regierungschefs beraten nächsten Mittwoch an einem Sondergipfel über die Flüchtlingskrise
- Slowenien stellt den Zugverkehr auf der Hauptstrecke aus Kroatien ein
- Ungarn weitet Notstand auf Grenze zu Kroatien aus
- Nach Deutschland und Österreich führt auch Slowenien Grenzkontrollen ein
+++ Kroatien schliesst Grenzübergänge zu Serbien +++
Kroatien hat sieben seiner acht Grenzübergänge zu Serbien geschlossen. Das Innenministerium begründet diesen Schritt mit der hohen Zahl von Flüchtlingen, die seit zwei Tagen aus Serbien eingereist seien. Mehr als 11'000 Migranten seien es gewesen. Die Massnahme gelte bis auf Weiteres. Nachdem Ungarn am Dienstag die Grenze zu Serbien geschlossen hat, versuchen Flüchtlinge vermehrt über Kroatien weiter in den Norden zu gelangen.
+++ Slowenien stellt Zugverkehr mit Kroatien ein +++
Die slowenischen Behörden haben den Zugverkehr auf der Hauptstrecke aus Kroatien eingestellt. «Der Personenverkehr fährt derzeit nicht», sagte eine Polizeisprecherin. Zuvor hatte die Polizei mitgeteilt, sie habe an der Grenze zu Kroatien einen Zug mit rund 200 Flüchtlingen gestoppt.
+++ Ungarn weitet Notstand auf Grenze zu Kroatien aus +++
Ungarn weitet den sogenannten Masseneinwanderungs-Krisenfall auf die südwestungarischen Bezirke Baranya und Somogy aus, die an der Grenze zu Kroatien liegen. Das gab der ungarische Aussenminister Peter Szijjarto in Budapest bekannt. Nach Angaben des regionalen Internetportals «bama.hu» waren am selben Tag rund 200 Flüchtlinge aus Kroatien nach Ungarn gekommen. « Kroatien ist für denn Beitritt zur Schengen-Zone ungeeignet », attackierte Szijjarto das EU-Nachbarland.
+++ Grenzzaun um Europa unmöglich +++
SRF-Sonderkorrespondent Marcel Anderwert beobachtet seit Tagen die Lage in der Region; zurzeit befindet er sich in Horgos, Serbien. Seiner Meinung nach sind die Grenzschliessungen und Zäune ein Zeichen für Überforderung oder viel mehr für Schwäche. Es sei illusorisch zu glauben, dass man mit solchen Massnahmen viel erreichen könne, sagt Anderwert.«Wir können keinen Grenzzaun um ganz Europa hochziehen.»
Er fügt an: «Wahre Stärke würde sich zeigen, wenn alle Staaten gemeinsam zusammenarbeiten würden, um die Bürgerkriege in Afghanistan, Syrien und Irak zu beenden.» Wenn man das nicht wenigstens versuche, dann werde uns der Flüchtlingsstrom auf der Balkanroute mit all seinen hässlichen und tragischen Nebenwirkungen noch sehr lange beschäftigen, so Anderwert.
+++ Ohne konkrete Ergebnisse droht das Ende der Schengen-Zone +++
Frankreichs Präsident François Hollande und Italiens Regierungschef Matteo Renzi haben gefordert, am EU-Sondergipfel konkrete Massnahmen zur Lösung der Flüchtlingskrise zu ergreifen. Andernfalls bedeute dies das Ende des Schengen-Abkommens. «Die Treffen sind entscheidend für das Schicksal Europas», mahnte Hollande.
Zuvor hatte EU-Ratspräsident Donald Tusk bekannt gegeben, dass am nächsten Mittwochabend ein Sondergipfel der Staats- und Regierungschefs stattfindet, um über Lösungswege aus der Flüchtlingskrise zu beraten.
+++ Kroatien schliesst Grenze für durchreisende Flüchtlinge +++
«Wir können keine weiteren Flüchtlinge aufnehmen», erklärte Innenminister Ranko Ostojic. Allen Schutzsuchenden werde die Weiterfahrt zu Registrierungszentren rund um die Hauptstadt Zagreb ermöglicht. Jene Flüchtlinge, die nicht bereit seien, einen Asylantrag zu stellen, würden als illegale Immigranten angesehen.
Zudem kündigte der Innenminister an, dass Kroatien in Zukunft die Grenze zu Serbien schliessen werde, wenn erneut 8000 Flüchtlinge an einem einzigen Tag nach Kroatien einreisten.
Viele Flüchtlinge, die in Kroatien angekommen sind, wollen weiter in Richtung Deutschland reisen, ohne sich registrieren zu lassen. Nach dem Dubliner Regelwerk würde eine Registrierung in Kroatien als Schengen-Einreiseland bedeuten, dass sie an der deutschen Grenze dahin wieder zurückgeschickt werden könnten.
Innenminister Ostojic sprach von rund 6500 Menschen, die innerhalb der letzten 24 Stunden nach Kroatien gelangt seien. Neuer Brennpunkt der Flüchtlingskrise ist die kroatische Grenzstadt Tovarnik. In der kleinen Gemeinde seien viermal mehr Flüchtlinge als Einwohner, klagte die Gemeindevorsteherin.
Wie «10vor10»-Reporterin Nina Blaser berichtet, hat die Regierung einzelne Busse organisiert, mit denen Frauen und Kinder weggebracht wurden. «Laut den Polizisten werden die Flüchtlinge in Aufnahmezentren in der Nähe gebracht», sagt Blaser.
Das Problem sei allerdings, dass es viel zu wenige Busse seien für die mehreren Tausend Menschen, die in Tovarnik ausharrten. «Jedes Mal, wenn ein Bus vorfährt, gibt es deshalb ein grosses Gedränge», erzählt die Reporterin.
Zwar seien viele Polizisten vor Ort, die für Ordnung sorgten. «Aber die Stimmung könnte jederzeit kippen.» Denn es ist nicht nur sehr heiss in Tovarnik – tagsüber stiegen die Temperaturen auf 38 Grad –, es fehlt auch an WCs. Dazu kommt, dass niemand wirklich weiss, was als Nächstes passiert.
Eine Gruppe von Flüchtlingen wollte denn auch nicht länger warten und durchbrach am Nachmittag eine Polizeiblockade. Sie machten sich zu Fuss Richtung Zagreb auf. Zuvor waren die Flüchtlinge von Polizisten stundenlang daran gehindert worden, ihren Weg fortzusetzen. Menschen seien in dem Gedränge verletzt und ohnmächtig geworden, berichteten Augenzeugen.
+++ «Korridor» zwischen Tovarnik und Zagreb +++
«Als wir erklärt haben, wir würden Korridore (für Flüchtlinge) einrichten, meinten wir einen Korridor von Tovarnik nach Zagreb», sagte Innenminister Ranko Ostojic bei einem Besuch des Grenzortes zu Serbien. Er suggerierte damit, Kroatien werde Flüchtlingen nicht die Weiterreise an die Grenze zu Slowenien erlauben. Noch am Vortag hatten allerdings kroatische Behörden diesem Verständnis der Korridore nicht widersprochen.
+++ Slowenien führt Grenzkontrollen ein +++
Nach Deutschland und Österreich hat nun auch Slowenien die Wiederaufnahme von Grenzkontrollen angekündigt. Die Slowenen wollten angesichts der hohen Flüchtlingszahlen insbesondere die Übergänge zu Ungarn überwachen, teilte die EU-Kommission mit. Nach einer ersten Überprüfung scheine der Schritt gerechtfertigt.
+++ EU will Türkei für Flüchtlingsaufnahme finanziell unterstützen +++
Die EU-Kommission will der Türkei bis zu einer Milliarde Euro für die Aufnahme von Flüchtlingen zur Verfügung stellen. Durch eine Umschichtung von Mitteln könnte diese Summe erreicht werden, sagte der für Nachbarschaftspolitik zuständige EU-Kommissar Johannes Hahn.
Genutzt werden könnten unter anderem Gelder zur Heranführung der Türkei an die EU. Derzeit hat die EU rund 470 Millionen Euro eingeplant, um die Türkei bei der Flüchtlingshilfe zu unterstützen.
+++ EU-Parlament spricht sich für Flüchtlingsquoten aus +++
Die Abgeordneten im EU-Parlament haben im Dringlichkeitsverfahren die EU-interne Umverteilung von 120'000 Flüchtlingen aus Italien, Griechenland und Ungarn gutgeheissen. Nun braucht es noch die Zustimmung der EU-Staaten.
Die EU-Innenminister beraten daher am kommenden Dienstag über den Verteil-Plan der EU-Kommission. Mehrere osteuropäische EU-Staaten lehnen Flüchtlingsquoten nach wie vor vehement ab.