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International Libanon im Strudel der nahöstlichen Machtkämpfe

Der Anschlag in Beirut vom Donnerstag wurde im Auftrag des IS verübt. Bei der Bluttat starben 44 Menschen, mehr als 200 weitere wurden verletzt. Die Tat galt der schiitischen Hisbollah, die in Syrien gegen den IS kämpft. Doch diese wird sich kaum provozieren lassen.

Die vom Iran unterstützte libanesische Miliz Hisbollah kämpft im syrischen Bürgerkrieg an der Seite von Präsident Baschar al-Assad gegen den sogenannten Islamischen Staat. Es erstaunt denn auch nicht, dass die Attentäter, die am Donnerstag in Beirut Dutzende Menschen in den Tod rissen, wohl vom IS losgeschickt worden waren, um die Hisbollah einzuschüchtern. Diesen Schluss lässt ein Bekennerschreiben des IS zu. Doch der Plan der Terrormiliz dürfte kaum aufgehen, glaubt SRF-Nahostkorrespondent Philipp Scholkmann.

Männer stehen um ein ausgebranntes Autowrack in einer eng bebauten Strasse herum.
Legende: Der Anschlag ist in einem Hisbollah-Viertel in Beirut verübt worden. Reuters

SRF News: Geht das Kalkül des «Islamischen Staats» auf? Lässt sich die Hisbollah einschüchtern?

Philipp Scholkmann: Nein. Die mächtige Schiiten-Miliz hat sofort nach dem Anschlag klargemacht, dass sie gegen alle sunnitischen Extremisten und Dschihadisten weiterkämpfen wird, egal ob sie dem IS oder einer anderen Organisation angehören.

Könnte die Rechnung des IS aufgehen, den syrischen Krieg in den Libanon hineinzutragen?

Vielvölkergemisch

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Im Libanon leben gut sechs Millionen Menschen. 95 % sind arabischer, rund 4 % armenischer Abstammung. Es gibt 18 anerkannte Religionsgemeinschaften. Sunniten und Schiiten stellen jeweils gut einen Viertel der Bevölkerung. Christliche Glaubensgruppen (Maroniten, griechisch Orthodoxe, griechische Katholiken und andere Christen) machen gut 40 % aus.

Die Hisbollah wird sich kaum darauf einlassen. Die Schiiten-Miliz ist durch ihren Kampfeinsatz an der Seite der Regimetruppen im benachbarten Syrien bereits sehr strapaziert. Deshalb wäre eine Eskalation zuhause im Libanon für sie das schlechteste Szenario. Es würde auch nicht zu ihr passen: Zwar ist die Hisbollah mittlerweile besser ausgerüstet und kampferprobter als die libanesische Armee. Doch gleichzeitig präsentiert sie sich im Libanon als Garantin für Stabilität und Pluralismus. Das Image der Hisbollah baut darauf, der ruhende Pol im Land zu sein. Das wird sie nicht aufs Spiel setzen wollen. Trotzdem versuchen die Radikalen unter den Sunniten nun, sie mit gezielten Anschlägen zu provozieren.

Gut ein Viertel der Bevölkerung im Libanon sind Sunniten. Tragen sie diese Strategie des IS mit?

Viele Sunniten im Libanon hegen sicher Sympathien für die Rebellion in Syrien und verurteilen das Gewaltregime von Assad. Doch deswegen unterstützen sie noch lange nicht den religiösen Extremismus oder gar den nihilistischen Terror des IS. Letzterer macht auch den meisten Sunniten im Libanon grosse Angst.

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Andererseits gibt es auch im Libanon junge Menschen, etwa in den ärmeren sunnitischen Gebieten im Norden, die von den Dschihadisten fasziniert sind. Doch seit rund einem Jahr gehen die Sicherheitskräfte mit harter Hand gegen salafistische Hassprediger vor, was auch vom sunnitischen Establishment unterstützt wird. Das hat die Lage im Libanon beruhigt. Beirut hat ein Jahr lang keine Anschläge mehr erlebt – bis gestern.

Der IS wird sicher versuchen, weitere Attentäter in den Libanon zu schicken.

Der IS zieht sein Ding also durch, egal, ob er im Libanon selbst dafür unterstützt wird oder nicht?

Der Terror-Kalif lässt sich sicher nicht von der libanesischen Innenpolitik aufhalten und er schert sich ja überhaupt nicht um Landesgrenzen. Der IS wird sicher versuchen, weitere Attentäter in den Libanon zu schicken oder welche in den sunnitischen Unterschichten des Landes zu mobilisieren, falls das seinen Zielen nützt. Libanesische Armee und Polizei werden versuchen dies zu verhindern. Doch die Grenze zu Syrien ist durchlässig und die Spannungen sind real.

Was würde es bedeuten, wenn der Libanon durch den IS wesentlich destabilisiert werden sollte?

Ein weiteres Land im nahöstlichen Vielvölkergemisch würde dann in den Strudel der regionalen Machtkämpfe hinuntergrissen. Aber so weit sind wir noch nicht. Die Sicherheitskräfte sind sehr aufmerksam und bis jetzt gibt es einen breiten Konsens, dass der Libanon irgendwie aus diesem Krieg herausgehalten werden muss.

Das Gespräch führte Simon Leu.

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