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International Militärische Abenteuer eine Frage der politischen Präferenzen

In den aktuellen Konflikten hält sich der Westen militärisch zurück. Zum Beispiel in Syrien oder in der Ukraine. Und ebenso bei der aggressiven Politik Chinas gegenüber Nachbarländern. Die Zeiten, als die USA als Weltpolizei auftraten, sind vorbei. Das hat Gründe – und auch Konsequenzen.

Munition liegt im Vordergrund auf einem Tisch, im Hintergrund vier amerikanische Soldaten mit Helm.
Legende: Westliche Militärmächte müssen sich entscheiden, worin sie ihr Geld investieren. Keystone

Tilman Brück, Direktor des Stockholmer Instituts für Friedensforschung Sipri, ist kein Strategie- oder Abrüstungsexperte, sondern Ökonom. Wenn er über Krieg und Frieden redet, geht es daher oft um Geld.

Und da wird klar, dass die Supermacht USA in ihren jüngsten grossen Kriegen – Vietnam, Irak und Afghanistan – gigantische Summen verbraucht, aber dennoch ihre Ziele verfehlt hat. Washington ist daher gegenüber neuen, teuren militärischen Engagements zurückhaltend geworden.

Konzentration auf Kernaufgabe der Nato

Wenn die USA diese zusätzlichen Ausgaben tätigen wollten, könnten sie das tun, erklärt Tilman Brück. Doch das sei eine Frage der politischen Präferenzen: «Möchte man in die marode Infrastruktur in den USA investieren oder in militärische Abenteuer, oder möchte man vielleicht die Steuersätze senken? Alles kann man nicht haben.»

In autoritär regierten Ländern wie Russland oder China sind höhere Rüstungsetats problemlos durchsetzbar. Doch im demokratischen Westen wächst dagegen der Widerstand. Für die europäischen Nato-Mitglieder heisst das laut dem Chef des Friedensforschungsinstituts: «Weniger jenseits unserer eigenen Grenzen eingreifen und uns verstärkt darauf konzentrieren, uns selber gegenseitig zu verteidigen.»

Ukraine-Krise vor der Haustüre

Den Bündnispflichten nachkommen hiesse eine Rückbesinnung auf die Kernaufgaben der Nato. Dafür müsste die Nato eigentlich Russlands Präsident Wladimir Putin dankbar sein: Auf einmal muss die Militärallianz nicht mehr in fernen Regionen aktiv werden. Man könne sich auf das ursprüngliche Ziel konzentrieren, die kollektive Verteidigung, sagt Brück. «Das macht die Ukraine-Krise deutlich.»

Die neue Bescheidenheit des Westens und der wachsende amerikanische Unwille, den Weltpolizisten zu spielen, hat Konsequenzen, so der Kriegsökonom. «Das heisst natürlich auch, dass man viele Entwicklungen hinnehmen muss, die man nicht gutheisst. Etwa die Entwicklung in Syrien.»

China im südchinesischen Meer gewähren lassen?

Der Handlungsspielraum für andere Grossmächte wie China und Russland, aber auch für Mittelmächte wie Iran oder Pakistan wächst. Beispiele dafür sind die Ukraine, Syrien, aber auch der Konflikt im südchinesischen Meer. Dort wird es Peking über kurz oder lang gelingen, die Herrschaft über etliche Inselgruppen zu übernehmen – obschon das völkerrechtswidrig ist.

Auch als Friedensforscher hielte es Brück für falsch, wenn der Westen militärisch ganz auf Tauchstation ginge. Es sei eine Illusion, dass Europa ein Kontinent sei, wo Konflikte ausschliesslich mit diplomatisch-politischen Mitteln gelöst würden. «Wir sollten nicht so tun, als ob Europa so friedlich wäre», sagt er.

Gar nichts tun auch keine Lösung

Er warnt aber, trotz der tatsächlichen oder gefühlten Bedrohung durch Russland, vor einem neuerlichen Rüstungswettlauf: «Die Gefahr besteht, dass sich Europa auf einen Rüstungswettlauf einlässt, der ja nicht per se mehr Sicherheit schafft.» Zumal Europa schon heute mehr Sicherheit und mehr militärische Schlagkraft haben könnte – ganz ohne Aufrüstung, schlicht dank mehr Kooperation und weniger Sonderzüglein der Nato-Länder.

Doch anderswo in der Welt dürfe der Westen nicht gar nichts mehr tun, so Brück. Begrenzte Einsätze mit begrenzten Zielen und zu begrenzten Kosten solle man auch künftig prüfen. Trotz aller Folgeprobleme sieht er Libyen und Mali als Positivbeispiele. Die Einsätze hätten gezeigt, dass ein begrenztes Engagement möglich war.

Kritik an Vorgehen in Syrien

Brück kann sich auch vorstellen, dass ein streng limitiertes westliches Eingreifen in Syrien etwas gebracht hätte. «Ein frühes Einschalten der Amerikaner und der Verbündeten in Syrien, etwa durch eine Flugverbotszone, hätte politisch und militärisch Auswirkungen haben können.»

Doch die Zeit, da sich die USA, mit oder ohne Europa, in grosse Kriege stürzten, hält Brück für passé. Und damit auch die Zeit der grossen Ambitionen, Länder wie Afghanistan oder Irak mit militärischen Mitteln zu prosperierenden Demokratien zu machen.

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