In der kambodschanischen Hauptstadt Phnom Penh hat die Militärpolizei nach Angaben von Menschenrechtlern auf protestierende Textilarbeiter geschossen. Die Demonstranten hätten vor einer Fabrik mit Steinen, Flaschen und Benzinbomben geworfen. Bei den Zusammenstössen seien drei oder vier Protest-Teilnehmer ums Leben gekommen.
Ein Sprecher der Militärpolizei sagte dagegen, nur ein Mensch sei gestorben, mehrere seien verletzt worden. «Wir erfüllen nur unsere Pflicht, Rolle und Aufgabe. Jetzt sichern wir die Lage», sagte er.
Die Gewerkschaften haben zu einem landesweiten Streik aufgerufen. Sie fordern mehr Geld für die Beschäftigten der Bekleidungsindustrie, die zu den wichtigsten Wirtschaftszweigen des südostasiatischen Landes zählt.
Rund 650'000 Menschen sind in der Textilindustrie tätig. 400'000 von ihnen nähen für internationale Modemarken wie Gap, Nike und H&M. «Für Kambodschas Wirtschaft ist der Streik eine Katastrophe», sagt SRF-Asienmitarbeiter Peter Achten. 90 Prozent der Exporte Kambodschas seien Textilprodukte.
Demonstranten stellen politische Forderungen
Nach zwei Wochen überwiegend friedlicher Streiks, Protestmärsche und Demonstrationen hatten die Sicherheitskräfte am Donnerstag erstmals eine Demonstration gewaltsam aufgelöst. Dabei wurden nach Angaben von Teilnehmern mehrere Menschen verletzt und festgenommen.
«Es geht nicht mehr nur um Lohn oder bessere Arbeitsbedingungen», erklärt Achten das harte Durchgreifen der Militärpolizei. «Jetzt stellen die Demonstranten auch politische Forderungen.»
Opposition unterstützt Textilarbeiter
Die Streiks hätten in politische Proteste umgeschlagen, weil die Textilunternehmer nicht auf die Forderungen der Arbeitnehmer eingegangen seien. «Sie sind überzeugt, die korrupte Regierung hinter sich zu haben. Zu Recht, wie das harte Durchgreifen der Militärpolizei nun zeigt», sagt Achten.
Die Textilarbeiter werden von der Opposition unterstützt. Diese hat selbst zu Protesten gegen die Regierung aufgerufen, weil sie nach eigenen Angaben bei der Wahl im Juli um mehr als zwei Millionen Stimmen betrogen worden war.
«Die Regierung wird hart durchgreifen»
Der autoritäre Ministerpräsident Hun Sen sieht sich durch die Demonstrationen mit seiner grössten politischen Herausforderung seit zwei Jahrzehnten konfrontiert. Die Regierung werde wohl als Gewinnerin aus dem Machtkampf hervorgehen, sagt Achten. «Sie wird weiter hart durchgreifen, denn für sie steht viel Macht auf dem Spiel.» Und für die Textilunternehmer gehe es um «fette Profite».
Die Textilfabriken werden Kambodscha nicht verlassen, wie Achten sagt. Auch dann nicht, wenn die Produktionskosten steigen würden. «Kambodscha ist hinter Bangladesch und Pakistan das billigste Land für Textilprodukte. Selbst Firmen aus China, Vietnam oder Thailand kommen nun nach Kambodscha.»