Tausende Albaner haben in den vergangenen Tagen in Mazedonien ihrem Unmut über die politische Lage mit gewaltsamen Demonstrationen Luft gemacht. In der Hauptstadt Skopje sowie in ihren Hochburgen wie Tetovo und Gostivar attackierten sie die Polizei, die mit Wasserwerfern, Tränengas und Blendgranaten antwortete.
Aktueller Anlass für die neue Gewalt ist die lebenslange Haft für sechs Albaner, die vor zwei Jahren in Skopje fünf slawische Mazedonier ermordet haben sollen. Die Demonstranten sprechen von einem Schauprozess ohne Beweise und wollen so lange demonstrieren, bis sie ihre Landsleute freigepresst haben.
Rollenverteilung macht Prozess politisch
Ob der Prozess rein politisch motiviert sei, liesse sich nicht beurteilen, sagt der Südosteuropa-Korrespondent der «Neuen Zürcher Zeitung», Andreas Ernst. Die OSZE beobachte den Prozess und habe sich dahingehend bis jetzt nicht geäussert.
Den Politikern riet die Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa aber, in ihrem Sprachgebrauch vorsichtig zu sein, da es sich offensichtlich um ein heikles Thema handle.
Gleich wie der Prozess durchgeführt werde: «Ein Fall, in dem die Täter der einen Volksgruppe angehören und die Opfer der anderen, wird in Mazedonien immer politisch sein», so Ernst. Das Land sei immer noch tief gespalten.
Leben in Parallelgesellschaften
Nach bürgerkriegsähnlichen Unruhen 2001 waren in einem Abkommen mehr Rechte für die albanische Minderheit festgelegt worden. Einige der Versprechen sind noch immer nicht eingelöst worden. Die staatlich gelenkten Medien versuchten am Montag teilweise, «radikale islamistische Elemente» als Drahtzieher der Demonstrationen und der Gewalt hinzustellen.
Obwohl die albanische Minderheit seit der Loslösung von Jugoslawien an der Regierung beteiligt sei, betrachte sie Mazedonien noch immer als «Staat der anderen», erklärt NZZ-Korrespondent Ernst.
Ein Grund dafür sei die räumliche und soziale Segregation der verschiedenen Volksgruppen: Die Siedlungsgebiete seien stark voneinander abgetrennt, Mischehen zwischen slawischen und albanischen Mazedoniern gebe es kaum. Dies führe zu zwei parallel lebenden Gesellschaften innerhalb des gleichen Staates.
Zankapfel Staatsname
Zudem sind die Albaner, deren Zahl auf zwischen einem Viertel und einem Drittel der Gesamtbevölkerung geschätzt wird, frustriert über die soziale Misere und den fehlenden wirtschaftlichen Fortschritt. Sie machen dafür auch die slawische Mehrheit verantwortlich, die sich im Streit um den Staatsnamen Mazedoniens mit dem Nachbarn Griechenland kompromisslos zeigt.
Athen verlangt mit dem Hinweis auf seine gleichnamige Nordprovinz, dass die frühere jugoslawische Provinz Mazedonien ihren Namen ändert. Mit dieser Forderung blockiert Griechenland seit Jahren die Aufnahme von EU-Beitrittsgesprächen, die eine Besserung auch der Wirtschaftslage bringen könnten.