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International Nigeria will mit Entführern verhandeln

Lange Zeit hat Nigeria Gespräche mit Boko Haram ausgeschlossen. Nun will man aber offenbar mit den Islamisten über die Freilassung der verschleppten Schulmädchen verhandeln. Die Terroristen richteten unterdessen ein neues Blutbad an.

Bislang hat der nigerianische Präsident Jonathan Goodluck jegliche Verhandlungen mit den Entführern von mehr als 200 Schülerinnen ausgeschlossen. Doch jetzt soll gemäss lokalen Medienberichten bereits vergangene Woche eine hochrangige Kommission der Regierung den Bundesstaat Borno besucht haben. Ihr Auftrag: das Prüfen von Verhandlungsoptionen mit den Terroristen.

Neue Angriffe: Dutzende Tote

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Bei Angriffen der Terrorgruppe Boko Haram sind am Dienstag im Norden Nigerias mindestens 35 Menschen getötet worden. Gemäss Polizeiquellen hatten Terroristen Polizeistationen und militärische Kontrollpunkte attackiert und teilweise auch zerstört. Unter den Toten waren demnach 14 Soldaten, elf Polizisten und zehn Zivilisten.

Das erstaunt. Denn obwohl die Mädchen seit nunmehr sechs Wochen in der Hand von Islamisten sind, scheint der Vize-Chef des Verteidigungsministeriums, Musiliu Obanikoro, keine Selbstzweifel zu kennen: «Mit stolzer Brust kann ich in der ganzen Welt sagen, dass wir im Militär die feinsten Männer und Frauen in Uniform haben.» Selbstverständlich werde Nigeria den Krieg gegen Boko Haram gewinnen.

Muslimische Geistliche vermitteln

Auch Nigerias Armeechef Alex Badeh stellt sich mit demonstrativer Gelassenheit den Kameras und Mikrofonen der internationalen Medien. «Wir wissen, was wir tun», sagte er. Der Aufenthaltsort der entführten Mädchen sei bekannt. Aber Präsident Goodluck Jonathan und der Generalstab wollten nicht mit einer gewaltsamen Rettungsaktion das Leben der Jugendlichen gefährden. Das kann nur bedeuten, dass Nigerias Führung nun überraschend doch mit den Terroristen verhandeln will – wenn auch nur indirekt über Vermittler wie muslimische Geistliche.

Das ist genau das, was Boko-Haram-Chef Abubakar Shekau in seinen Videobotschaften gefordert hatte. Er sei bereit, die Schülerinnen freizulassen, wenn alle inhaftierten Boko-Haram-Mitglieder aus den Gefängnissen Nigerias entlassen würden. Regierung und Generäle werden kaum einen Zweifel daran haben, dass es der gefürchtete Islamistenchef, auf dessen Kopf die US-Regierung sieben Millionen Dollar ausgesetzt hat, ernst meint.

Vertrauen in Sicherheitskräfte schwindet

Shekaus Geisteshaltung ist bekannt: In einer Videobotschaft hatte er 2012 betont: «Ich geniesse es, jeden zu töten, den zu töten Gott mir den Auftrag gibt, so wie ich es geniesse, Hühner oder Hammel zu töten.» Seinen Worten folgen erfahrungsgemäss Taten. Auf das Konto seiner Organisation stehen Tausende Toter und Verletzter. Die inzwischen fast täglichen Angriffe und Anschläge Boko Harams verunsichern die Menschen zunehmend im ganzen Land.

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Das Vertrauen in die nationalen Sicherheitskräfte schwindet weiter. Vor allem im Norden haben sich vielerorts zivile Milizen zur Abwehr der Terroristen gebildet. Präsident Jonathan hat zwar inzwischen internationale Unterstützung bei der Suche nach den entführten Mädchen akzeptiert – aber das tat er wohl angesichts der weltweiten Empörung über den Terrorakt.

Die Internetkampagne «bring back our girls» hatte Millionen Menschen mobilisiert, darunter auch die US-«First Lady» Michelle Obama und zahlreiche Hollywood-Stars wie Sean Penn oder Angelina Jolie. Nun liegt Jonathan offenbar sehr viel daran, einen positiven Ausgang des Entführungsdramas möglich zu machen. Alles deutet darauf hin, dass deshalb bald viele hundert bisher festgesetzte Terroristen und gewaltbereite Islamisten Boko Haram stärken werden.

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