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International Nordkorea lässt Japaner cool: «Vogelgrippe ist wichtiger»

Tokio ist in Alarmbereitschaft, die Tokioter nicht. Das berichtet der ehemalige «Tagesschau»-Redaktor Thomas Stalder aus der japanischen Hauptstadt. Andere Themen seien wichtiger. Und doch: Die Drohgebärden Nordkoreas kommen der japanischen Regierung gerade recht.

Thomas Stalder wohnt in Tokio nahe einer der Abwehrraketensysteme. Lediglich zehn U-Bahn-Minuten liegen zwischen seinem Wohnort und dem Ort der Stationierung – ein Katzensprung für Tokioter Verhältnisse.

Blick von oben auf zwei Patriot-Abwehrsysteme in Tokio
Legende: Die Patriot-Abwehrsysteme sollen potenzielle Angriffe Nordkoreas vereiteln. Reuters

Stalder beunruhigt die Stationierung nicht, wie er im Gespräch mit «SRF News Online» bestätigt. «Auch die Japaner reagieren bislang gelassen auf die Drohgebärden aus Pjöngjang.»

«Es ist nicht das erste Mal, dass diese Raketen stationiert werden.» Für Stalder ein Routineszenario. Immer wenn Nordkorea Raketentests durchführe, werde diese Massnahme ergriffen.

An einen Krieg mit Nordkorea glaube in Japan ohnehin keiner, sagt Stalder. «Die Menschen bleiben ruhig – von Hamsterkäufen oder ähnlichen Handlungen kann nicht die Rede sein. Die Vogelgrippe ist eher ein Thema», sagt Stalder.

Dennoch: Japan sei sich der Gefahr durch Nordkorea bewusst und sei in Alarmbereitschaft. Denn die USA betreiben Militärstützpunkte in Japan. Diese wären potenzielle Angriffsziele.

Raketentest soll kurz bevorstehen

Auch Ostasien-Korrespondent Urs Morf sieht Japans Alarmbereitschaft als begründet an. Er bestätigt gegenüber «SRF» Gerüchte über einen bevorstehenden Mittelstrecken-Raketentest Nordkoreas. Die Reichweite betrüge 4000 Kilometer. Tokio sei deshalb ein potenzielles Ziel.

Die Aufforderungen Nordkoreas an Ausländer, Südkorea besser zu verlassen, ist laut Morf als «psychologische Kriegsführung» zu bewerten. Ebenso das Abziehen der eigenen Arbeitskräfte aus der gesamtkoreanischen Industriezone Kaesong.

Mögliche Militärreform

Ob Kim Jong Un seinen Drohungen Taten folgen lässt, ist ungewiss. Sein Säbelrasseln könnte aber innenpolitische Folgen für Japan nach sich ziehen. Denn der japanische Regierungschef Shinzo Abe möchte die pazifistische Verfassung Japans ändern. Geht es nach Abe, soll Japan in Zukunft eine stärkere militärische Rolle an der Seite der USA wahrnehmen statt wie bisher nur zu Selbstverteidigungszwecken aktiv werden zu können

Dafür braucht er Argumente. Eine dauerhafte Bedrohung aus Pjöngjang wäre eines. Nach den Oberhauswahlen im Juli könnte Abe seinen Plan durchzusetzen versuchen.

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