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International «Obama und Putin haben im Kern wohl nichts vereinbart»

Seit langem haben sich der russische Präsident Putin und sein amerikanischer Amtskollege Obama wieder zu einem Gespräch getroffen. Was kam dabei heraus? Einschätzungen von Uno-Beobachter Andreas Zumach.

SRF News: Beim Treffen von Barack Obama und Wladimir Putin ging es um ein gemeinsames Vorgehen im Kampf gegen die Terrormiliz IS in Syrien. Sehen Sie Anzeichen für eine solche Zusammenarbeit der USA und Russland?

UNO-Experte Andreas Zumach: Dafür sehe ich nur sehr geringe Anzeichen; es gibt zentrale Widersprüche. Und da, wo Gemeinsamkeiten durchschimmern, ist das nicht sehr erfolgsträchtig.

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Es gab auch keine gemeinsame Erklärung von Obama und Putin nach dem Treffen – was ist das für ein Signal?

Das ist ein klares Signal, dass sie im Kern nichts miteinander vereinbart haben. Es sei denn, die beiden spielten uns etwas vor und haben etwas vereinbart, aber beschlossen, das der Öffentlichkeit vorzuenthalten, weil man mit einer gewissen Position öffentlich nicht auftreten will. Aber das wäre ungewöhnlich. Ich denke, es gab vor allem einen Austausch und eine Bekräftigung der gegenseitigen Positionen; besonders, was Syriens Präsident Assad betrifft.

Immerhin sollen sich Putin und Obama geeinigt haben, dass ihre Militärs sich direkt besprechen sollen.

Das ist wichtig, damit man nicht aus Versehen zusammen stösst und das Ganze ausser Kontrolle gerät. Doch die Gespräche zwischen den Militärs beider Seiten waren schon vorher angekündigt worden. In der Substanz, in der Frage einer politischen Lösung des Syrien-Konfliktes, ist das kein Fortschritt.

Auf der politischen Ebene geht es um die Frage, was mit dem syrischen Präsidenten Assad geschehen soll. Russland hält an Assad fest; die USA sagen, es gehe nur ohne ihn. Ist da eine Lösung in Sicht?

Das sind die Extrempositionen, so wie wir sie kannten. Da ist insofern Luft drin, als man sich die Sprache genau anschauen muss. Obama sagt ja nicht explizit, dass mit Assad oder seiner Regierung nicht verhandelt werden könne. Für einen Übergangsprozess, in dem Verhandlungen laufen, ist nicht ausgeschlossen, dass die Amerikaner dem zustimmen. Nicht unbedingt mit der Person Assad, aber mit einem Vertreter des Regimes, der weniger Blut an den Händen hat. Und umgekehrt gibt es aus Moskau schon länger Signale, dass man – auch mit Blick auf eine künftige Regierung – an Assad nicht auf Dauer festhalten will. Gleichzeitig will Moskau aber nicht das Regime in Damaskus verschwinden sehen und schon gar nicht von aussen durch eine Sturz beseitigt.

Es gibt also einen gewissen Spielraum, zumal die europäischen Regierungen seit einigen Tagen auch alle sagen, mit der Regierung Assad werde man zumindest in einem Übergangsprozess noch reden müssen. Auf die Frage, was mit Assad danach passiert, äussert sich im Moment niemand.

Was müsste passieren, damit dieser Spielraum genutzt wird?

Hier gibt es Möglichkeiten, zumal vom neuen UNO-Vermittler Staffan de Mistura ein Prozess angestossen worden ist: Ab November treffen sich in vier parallelen Arbeitsgruppen die Vertreter fast aller Oppositionsgruppen – aber ohne den IS, ohne den Kaida-Ableger Nusra – mit Vertretern der Regierung, um über verschiedene Fragen zu reden, beispielsweise über die Sicherheit im Land, über politische Gefangene. Daraus, so die Hoffnung, soll dann irgendwann eine Vereinbarung entstehen über eine politische Übergangslösung.

Das klingt nach einem langen Prozess – können Sie abschätzen, wie lange das dauert?

Ich wage keine Zeitprognose. Und selbst wenn – sagen wir im April nächsten Jahres – ein Ergebnis herauskäme, bleiben zwei Probleme: Zwei Akteure, die auf dem Boden in Syrien erheblichen Einfluss haben, sind an diesem Prozess nicht beteiligt. Das sind der sogenannte Islamische Staat, der über 55 Prozent des Territoriums kontrolliert, und die Al Nusra-Front, der syrische Ableger des Al Kaida-Netzwerks. Beide haben ein Riesenpotenzial, alle Vereinbarungen, die aus dem Verhandlungsprozess entstehen, zu torpedieren.

Und das zweite ist: In jenem Punkt, in dem die Russen angeblich mitmachen wollen, nämlich bei Luftschlägen gegen den sogenannten Islamischen Staat, existiert offensichtlich auch bei Putin die Illusion, dass man den IS so besiegen könnte. Ich halte das für fern jeglicher Realität. Und operativ brauchen die Amerikaner, Franzosen und die anderen, die den IS schon jetzt bombardieren, nicht auch noch die Russen. Das wäre eher eine symbolische Kooperation, die aber weder das Problem Islamischer Staat löst, noch die Frage klärt, was mit Assad passiert.

Das Gespräch führte Hans Ineichen.

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