Im südafrikanischen Bloemfontein hat der Parteitag des Afrikanischen Nationalkongress (ANC) begonnen. Auf ihm soll der Vorsitzende gewählt werden, der die Partei in die Wahlen 2014 führt. Bis Wochenmitte schien das für den amtierenden ANC-Chef Jacob Zuma nur eine Routine-Wahl. Doch dann tauchte quasi aus dem Nichts ein zweiter Kandidat auf.
Es dürfte ein Schock für Zuma gewesen sein, als Vizepräsident Kgalema Motlanthe verkündete, er werde am Parteitag gegen ihn antreten. Damit nicht genug hat der 70jährige Zuma weitere Gegner in der eigenen Partei.
Sie kritisieren die Skandale und Korruptionsfälle. Zudem soll Zuma Staatsgelder für den Ausbau seines privaten Anwesens abgezweigt haben. Angehörige und Freunde machten fragwürdige Geschäfte – Geschäfte, bei denen der Staat grösster Auftraggeber war.
Doch allen schlechten Nachrichten zum Trotz ist Zuma für die Delegierten des Parteitags trotzdem der Favorit.
Alltäglicher Aufruhr
Fast jeden Tag gibt es in Südafrika blutige Proteste, brennen Reifen auf den Strassen, und die Polizei schiesst mit Gummipatronen. Die Arbeitslosigkeit liegt bei offiziell 25 Prozent. Die Hälfte der Bürger lebt statistisch von weniger als zwei Euro pro Tag.
Die Währung Rand befindet sich auf dem tiefsten Stand seit 2009. Zuma und der ANC setzen wirtschaftspolitisch auf mehr Staat und Regulierung, manche Wortführer fordern die Verstaatlichung von Banken und Bergbau. Doch dieser Kurs hat Südafrika bisher nicht gestärkt.
«Ich war nahe daran, zu weinen.»
Die Kirchen des Landes schickten vor kurzem einen offenen Brief an den Präsidenten. «Viele Politiker haben den moralischen Kompass verloren», heisst es darin; sie forderten «eine gesunde Demokratie».
Auch Desmond Tutu, der prominente Erzbischof, zeigt seine Bitterkeit über die Zustände in der Heimat. Kürzlich wurden die Ergebnisse einer Studie über den Bildungsstand südafrikanischer Schüler veröffentlicht. Katastrophale Ergebnisse. Tutu sagte: «Ich war noch nie so nahe daran, zu weinen.»
Über Zuma sagt der Erzbischof nicht viel Freundliches. Das Netteste war noch diese Bemerkung gegenüber einem Minister, geäussert kurz vor dem Parteitag: «Ich werde für Deinen Boss beten.»
Unumstrittenes Machtzentrum
Trotz aller Konflikte und Zerreissproben im Land: Der ANC ist das unumstrittene Machtzentrum des modernen Südafrika. Die Partei hat fast eine Zwei-Drittel-Mehrheit im Parlament, sie bestimmt den Weg des Staates seit dem Sieg über die Apartheid im Jahr 1990. Die schwarze Wählerschaft ist treu. Sie wird der 100jährigen Organisation wohl auch bei der Wahl von 2014 zum Sieg verhelfen.