Ungarische Medien bezeichnen die deutliche Niederlage für die Fisdesz-Partei und Regierungschef Viktor Orban als «Bombenüberraschung». Mit der nun verlorenen Zweidrittelmehrheit im Parlament konnte Orban Gesetze und Verfassungsänderungen im Alleingang beschliessen; das ist jetzt vorbei.
Allerdings hatte Orban schon vor der Nachwahl klar gemacht, dass seine Regierungspartei diese «Supermehrheit» gar nicht mehr benötige: Sie habe die Verfassung in den vergangenen Jahren bereits in ihrem Sinne geändert.
Vereinte Linke kann Orban schlagen
Nicht alle in der Fidesz-Partei sehen das so: «Es gibt schon Kritik innerhalb von Fidesz und ich könnte mir vorstellen, dass sich das zu einer Krise innerhalb der Partei auswächst», sagt Bernhard Odehnal. Er ist Korrespondent des «Tages-Anzeigers» in Wien und hat die Wahl in Ungarn verfolgt. Auf jeden Fall habe die Wahlniederlage für Orban «grosse Symbolik». Sie zeige, dass der Premier nicht mehr unantastbar sei. Und: «Wenn die linke Opposition vereint auftritt, kann sie Orban schlagen.»
Fidesz ist tatsächlich angeschlagen: Bei den Wahlen vor einem Jahr hatte Orbans Partei 45 Prozent der Stimmen erhalten und dank dem von ihr zurechtgebogenen Wahlgesetz die Zweidrittels-Mehrheit im Parlament halten können. Derzeit liegt der Zuspruch für Fidesz laut Umfragen noch bei 20 bis 30 Prozent. Allerdings, so Odehnal, habe in der Zwischenzeit auch die rechtsextreme Jobbik-Partei etliche Prozentpunkte hinzugewonnen.
Zahlreiche Korruptionsvorwürfe
Als Grund für die Schwäche von Fidesz ortet der Korrespondent die zahlreichen Korruptionsvorwürfe gegen Orban und seine Entourage. Die ungarischen Medien berichteten, dass sich «Orban und ein kleiner Kreis rund um seine Familie schamlos am Staat bedienen». Es gehe dabei um die Vergabe von staatlichen Aufträgen – und Korruptionsvorwürfe gegen den Premier selber.
Orban reiste im letzten Jahr mehrmals in die Schweiz, einmal fuhr er mit dem Nachtzug zurück nach Budapest. In Ungarn werde deshalb die Frage diskutiert, ob Orban vielleicht deshalb nicht das Flugzeug genommen habe, weil er nicht wollte, dass sein Gepäck allzu gut kontrolliert werde.
Anlehnung an Putin nicht goutiert
«Was Orban auch sehr geschadet hat, war der Besuch von Wladimir Putin letzte Woche in Budapest», stellt Odehnal weiter fest. Die Ungarn verstünden nicht, weshalb sich Orban nun Putin zuwende und die EU derart brüskiere.
Allerdings finden die nächsten Gesamtwahlen erst in fünf Jahren statt. Bis dahin verfügt Orbans Fidesz-Partei trotz Verlusts der Zweidrittelmehrheit weiterhin über eine klare Mehrheit im Parlament. «Insofern sitzt Orban weiter fest im Sattel», stellt der Korrespondent fest.