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International «So schnell wird die Ukraine nicht Nato-Mitglied»

Tritt die Ukraine der Nato bei, müsste das Verteidigungsbündnis bei einer allfälligen Rückeroberung der Krim helfen. Das wolle niemand, sagt Fredy Gsteiger, diplomatischer Korrespondent bei SRF. Der Nato-Beitritt dürfte daher noch in weiter Ferne liegen.

Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg verkündete am Treffen der Nato-Aussenminister in Brüssel, die Ukraine dürfe Nato-Mitglied werden. Das Verteidigungsbündnis reagiere damit auf die russischen Provokationen in der Ostukraine: Derzeit befinden sich dort bis zu 10'000 schwer bewaffnete russische Soldaten in der Ostukraine.

Was bedeutet Stoltenbergs Aussage in diesem Kontext? SRF-Auslandredaktor Fredy Gsteiger gibt Antwort.

SRF: Wann wird die Ukraine Nato-Mitglied?

Fredy Gsteiger: So schnell wird das nicht passieren. Die Ukraine erfüllt die Voraussetzungen dafür nicht. Der Technik- und Ausbildungsstandard der ukrainischen Armee sowie deren demokratische Kontrolle sind nicht auf Nato-Niveau. Das sind allerdings Bereiche, in denen die Nato der Ukraine helfen kann. Ausserdem hat der ukrainische Präsident Poroschenko vor einem allfälligen Beitritt ein Referendum angekündigt. Dabei ist unklar, wie sich die ukrainische Bevölkerung entscheiden würde. Es sind auch noch nicht alle Nato-Mitglieder davon überzeugt, die Ukraine aufzunehmen. Trotzdem ist die klare Aussage Stoltenbergs, dass die Nato keinesfalls ein russisches Veto gegen einen Beitritt der Ukraine akzeptieren würde, bemerkenswert. Diese Aussage ist keine blosse Bekräftigung schöner Prinzipien, sondern kommt unmittelbar nach der Ankündigung der ukrainischen Regierung, betreten zu wollen.

Wenn die Nato vom neuen Mitglied Ukraine spricht: Welche meint sie da? Mit oder ohne Krim?

Fredy Gsteiger

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Portrait von Fredy Gsteiger

Der diplomatische Korrespondent ist stellvertretender Chefredaktor bei Radio SRF. Vor seiner Radiotätigkeit war er Auslandredaktor beim «St.Galler Tagblatt», Nahost-Redaktor und Paris-Korrespondent der «Zeit» und Chefredaktor der «Weltwoche».

Grundsätzlich die mit der Krim und auch die mit der Ostukraine. Die Nato- Aussenminister werden erneut bekräftigen, dass sie für die territoriale Unversehrtheit der Ukraine einstehen und dass sie die Besetzung der Krim für inakzeptabel halten.

Das alles liefe auf eine weitere Konfrontation mit Russland hinaus.

Genau. Das würde für die Nato ein gewaltiges Problem schaffen. Sie wäre dann verpflichtet, der Ukraine dabei zu helfen, die Krim zurückzuerobern. Ich kann mir aber nicht vorstellen, dass irgendjemand in der Nato eine direkte militärische Konfrontation mit Russland möchte. Deswegen hat die Nato bisher die Politik verfolgt, ein Land mit offenen Grenzkonflikten nicht aufzunehmen. Darum sind bislang etwa Zypern oder Georgien nicht Mitglieder.

Welche Zeichen will denn die Nato bis zu einem möglichen Beitritt der Ukraine setzen?

Man will Stärke zeigen. Weil die Nato-Eingreiftruppe erst 2016 einsatzfähig ist, will man bereits ab Anfang nächsten Jahres eine Interimstruppe einsetzen. Man will in den osteuropäischen Mitgliedsländern eine ständige Präsenz von Nato-Truppen. Das zeigt, dass die Nato das russische Verhalten für aggressiv und provokativ hält, etwa die Truppenpräsenz in der Ostukraine oder Patrouillenflüge über dem Schwarzen Meer und der Ostsee. Das Verhältnis zwischen der Nato und Russland scheint also zerrüttet zu sein und dürfte das vorerst auch bleiben.

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