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UNO-Hauptsitz in New York mit UNO-Symbol auf der Fassadenfront.
Legende: UNO-Hauptsitz in New York: Im Inneren ist das Geschacher um mächtige Posten in vollem Gang. Reuters

International UNO: Russland und China wollen mehr Macht

Zum ersten Mal seit Jahrzehnten wird die UNO ab nächstem Jahr wieder einen europäischen Generalsekretär haben, den Portugiesen Antonio Guterres. Doch die Wahl des Europäers sollte nicht darüber hinwegtäuschen, dass der Einfluss des Westens innerhalb der Vereinten Nationen am Schwinden ist.

In Büros, Korridoren, Sitzungszimmern und Cafeterias am UNO-Hauptsitz in New York geht es dieser Tage hoch her. Zwar ist die wichtigste Personalentscheidung inzwischen gefallen: Die UNO-Generalversammlung wird Antonio Guterres als Nachfolger von Ban Ki-Moon zum Generalsekretär wählen. Damit tritt erstmals nach langer Zeit wieder ein Vertreter des Westens an die Spitze der Vereinten Nationen.

Doch die Ernennung von Guterres heisst keineswegs, dass der westliche Einfluss in der UNO wächst. Auch das Gegenteil kann der Fall sein. Es stellt sich nämlich die Frage, warum Russland wider Erwarten kein Veto gegen Guterres eingelegt hat.

Noch kurz bevor sich der Sicherheitsrat auf den Portugiesen geeinigt hat, meinte nämlich Moskaus UNO-Botschafter Vitaly Tchurkin dezidiert, es müsse diesmal ein Osteuropäer sein. Jedenfalls machte Russland klar, dass es sich zurzeit in der UNO-Chefetage untervertreten fühlt.

Ein serbischer Nationalist als UNO-Vize?

Gemunkelt wird, Guterres habe den Russen versprochen, den Serben Vuk Jeremic zu seinem Stellvertreter zu machen. Von Russland wurde Jeremic für die Ban-Nachfolge favorisiert. Er gilt jedoch aus westlicher Sicht auch für den Vize-Posten als ungeeignet, denn er hat sich als Präsident der UNO-Generalversammlung 2012 primär als serbischer Nationalist profiliert und sich mehr für sein Land als für die Weltorganisation eingesetzt.

Allerdings gibt auch noch die andere, lautstark erhobene Forderung. Endlich solle eine Frau als Stellvertreterin etabliert werden. Moskau liesse sich wohl zufriedenstellen, wenn Guterres einen Russen auf einen andern einflussreichen Posten beriefe. Moskau möchte den Unter-Generalsekretärs für Politik stellen. Traditionell wird dieser Posten von einem Amerikaner besetzt.

Diese Funktion koordiniert die Vielzahl von Sonderberichterstattern und Spezialbeauftragten der UNO. Sie steuert das gesamte politische Geschäft der UNO, formuliert UNO-Positionen, beeinflusst, wo sich die UNO engagiert, etwa als Friedensvermittlerin. Was immer der UNO-Generalsekretär tut, es wird in der Politik-Abteilung vorbereitet.

Auch China will mehr Einfluss haben

An einem anderen Unter-Generalsekretär-Posten ist China sehr interessiert. Es handelt sich um den des Unter-Generalsekretärs für Friedensoperationen.

Dieser hat die Befehlsgewalt über gut 100'000 Blauhelmsoldaten und -polizisten. Das Amt ist seit langem fest in französischer Hand. Peking lässt seit einiger Zeit erkennen, dass es die UNO stärken will und vor allem, dass es diese Stärkung selber gestalten will. «Die UNO sollte eine wichtigere Rolle spielen, etwa beim Weltfrieden», sagt Ex-Aussenminister Yang Yiechi.

Um sich zu positionieren, beteiligt sich China neuerdings an UNO-Blauhelmeinsätzen wie zum Beispiel an jenem im Südsudan. China stellt inzwischen mehr UNO-Blauhelme als die anderen vier Vetomächte zusammen. Und es ist, nach den USA, der zweitgrösste Zahlmeister für Blauhelmoperationen. Peking würde bei Friedenseinsätzen wohl weitaus grössere Zurückhaltung üben. Es dürfte weniger robuste Mandate erlauben, die Blauhelme verlören in ihren Missionen an Handlungsspielraum.

Nach Ban Ki-Moon wird alles anders

Peking – und auch Moskau – dürften sich ausserdem für eine weitere Spitzenfunktion interessieren, für jene des Unter-Generalsekretärs für Management und Finanzen. Das Amt, das derzeit von einem Japaner geleitet und dem westlichen Lager zugerechnet wird, bietet wichtige Steuerungsmöglichkeiten. Politik wird bekanntlich nicht zuletzt über Geld und personelle Ressourcen gemacht.

Das Sesselrücken ist in vollem Gang. Es könnte nach der zehnjährigen Ära unter Ban Ki-Moon zu einer Zeitenwende kommen, wahrscheinlich nicht im Sinne des Westens. China und Russland lobbyieren energisch, haben Verbündete. Sie haben erkannt, dass sie über die UNO ihren Einfluss in der Welt wesentlich vergrössern können.

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