Nie im fünfjährigen Bürgerkrieg in Syrien standen die Chancen auf eine Friedenslösung besser als diesmal: Erstens, weil zurzeit eine, wenn auch brüchige, Waffenruhe herrscht. Zweitens, weil die Mächte mit Einfluss in Syrien – allen voran die USA und Russland – bereit schienen, ernsthaft Druck zu machen. Entsprechend waren diesmal auch die Hoffnungen ein bisschen grösser.
Doch UNO-Friedensvermittler Staffan de Mistura verfehlte sein erklärtes Ziel, zumindest eine Art «Roadmap», einen Weg zum Frieden in Syrien, vorzulegen. In allen drei Schlüsselfragen blieben Fortschritte aus: Die Bildung einer breit abgestützten Übergangsregierung bis Mitte 2016 steht ebenso in den Sternen wie die Ausarbeitung einer neuen Verfassung sowie Parlaments- und Präsidentenwahlen bis Mitte 2017.
Schuld für das Treten an Ort ist nicht De Mistura. Er hat vieles, fast alles, angewendet: Charme, Raffinesse, Hartnäckigkeit, Taktik, Druck.
Der einzige klitzekleine Erfolg ist ein Papier, das eine gemeinsame Vision für Syrien festlegt. Es soll wieder ein einheitlicher Staat mit einer Armee werden. Ein Staat, der nicht auf religiöser Zugehörigkeit basiert. Ein Staat, der Frauenrechte achtet und in dem der Terrorismus bekämpft wird. Bloss: Was bedeutet all das, solange man sich nicht einig ist, wie man zu einem solchen Staat gelangen will.
Wenige bis gar keine Konzessionen
Schuld für das Treten an Ort ist nicht De Mistura. Er hat vieles, fast alles, angewendet: Charme, Raffinesse, Hartnäckigkeit, Taktik, Druck. Das Problem ist ein doppeltes: Die syrische Opposition macht kaum Konzessionen, weil sie schwach ist, zersplittert und uneinig. Die syrische Regierung macht gar keine, weil sie sich stark fühlt, seit Russland ihr mehr Freiraum herbeigebombt hat.
Der heutige Vormarsch auf die vom Islamischen Staat voriges Jahr eroberte antike Stadt Palmyra stärkt das Selbstbewusstsein des Assad-Regimes weiter. Deshalb lehnen es die Machthaber in Damaskus weiter strikte ab, auch nur über eine Übergangsregierung, eine neue Verfassung und Neuwahlen unter UNO-Aufsicht zu reden.
Was machen Moskau und Teheran?
Was kann Staffan de Mistura nun tun? Er wird sich an Washington und Moskau, an Riad, Ankara und Teheran wenden. Dort hat man Einfluss auf die syrischen Akteure.
Angesichts der Halsstarrigkeit vor allem des Regimes fragt man sich: Macht Russland genug Druck auf Baschar al-Assad? Oder hat es weniger Einfluss als man meint? Irritierend ist zudem, dass aus dem Iran, der für Assad ein mindestens ebenso wichtiger Verbündeter ist wie Russland, sehr wenig zu hören ist und erst recht keinerlei Druck auf den Diktator zu spüren ist.
Brüchige Waffenruhe auf Prüfstand
Der UNO-Vermittler De Mistura wird neue Verhandlungsrunde im April ankündigen. Wo dann endlich substanzielle Verhandlungen beginnen sollen, was bisher nicht der Fall war.
Doch mit jedem Tag, der verstreicht, wächst das Risiko, dass sich das Fenster der Gelegenheit für eine Friedenslösung schliesst, die Feuerpause endet und der Krieg erneut auflodert. Noch blutiger als zuvor.