SRF News: Donald Trump gibt sich als der Winnertyp schlechthin. Nun wurde er in Iowa bloss Zweiter. Kann Trump überhaupt verlieren?
Beat Soltermann: Da muss man sich wundern. Aber in seiner Rede gestern Abend war Trump fast schon demütig. Er fühle sich geehrt und wolle Ted Cruz zu seinem Sieg gratulieren. Cruz, den er vor einigen Tagen noch schwer beschimpft hatte. Diese Bescheidenheit ist durchaus taktisch. Denn ohne skandalöse Aussagen gibt es weniger Berichterstattung. Und die will Trump momentan vermeiden. Er hofft jetzt auf einen Sieg in New Hampshire. Dort finden die nächsten Vorwahlen statt. Und dort führt Trump schon seit Monaten deutlich in den Umfragen. Er ist also noch nicht am Ende. Aber er ist in Iowa sicher ein bisschen entzaubert worden.
Auch Marco Rubio wird als Sieger bezeichnet. Dabei wurde er doch nur Dritter?
In Iowa dreht sich alles um Erwartungen. Schneidet ein Kandidat besser ab als erwartet – so wie Marco Rubio – gibt das Aufwind für die weiteren Etappen im Kandidatenrennen. Rubio will den «American Dream» wieder für jeden realisierbar machen, so wie das für seine Eltern, ein Bartender und eine Putzfrau, die aus Kuba eingewandert waren, einmal möglich war. Er gilt im Republikanischen Feld als einer der Gemässigteren, obwohl er dank Tea-Party-Stimmen in den US-Senat gewählt worden ist. In Iowa hat Rubio vor allem in den Vororten der grösseren Städte Stimmen geholt. Das hat ihn auf den unerwartet guten dritten Platz gebracht.
In Iowa trennt sich die Spreu vom Weizen.
Wenn Rubio dadurch jetzt Aufwind erhält, was heisst das konkret?
Die ganze Aufmerksamkeit und vor allem das Geld kommen nun zu Marco Rubio. Er hat gute Chancen, auch in New Hampshire ein valables Ergebnis zu machen. Rubio ist für das Partei-Establishment die letzte, beste Hoffnung, die beiden Outsider Trump und Cruz doch noch zu verhindern. Alle anderen, traditionelleren Kandidaten wie Jeb Bush, John Kasik oder Chris Christie, haben in Iowa ja ganz schlecht abgeschnitten, und es sieht fast so aus, als ob sich dieses traditionellere Feld spätestens bis Ende Monat ziemlich konsolidieren dürfte.
Was ist denn mit dem Sieger nach Zahlen, dem Tea-Party-Liebling Cruz?
Er hat in Iowa gewonnen, weil er sich ab besten organisiert hat, die Leute gestern auch mobilisieren konnte. Das ist ganz wichtig hier: Dass die Leute eben auch an diese Wahlveranstaltungen gehen. Cruz reiste durch alle 99 Gemeinden von Iowa. Er suchte und hatte die Unterstützung der Evangelikalen, einer wichtigen Wählergruppe unter den Republikanern. Cruz klingt fast wie ein Priester. So kam es mir zumindest bei einem Wahlkampfauftritt in einem Dorf namens Hubbard vor. Er sprach von einem Erwachen, dem Geist der Wiedergeburt, der das Land erfasst habe. Das kam gut an. Gut an kam auch seine Anti-Washington-Botschaft. Cruz ist in diesem Punkt glaubwürdig. Es sitzt zwar für Texas im US-Senat im Capitol. Aber von Anfang an hat er dort gegen das Establishment gearbeitet. Schon im ersten Amtsjahr hatte er den «Government Shutdown» orchestriert.
Schauen wir auf die Demokraten. Auch dort haben sich die Umfragen als wenig zuverlässig erwiesen. Hillary Clinton liegt nur knapp vor dem Sozialisten Bernie Sanders. Was überrascht mehr, ihr schlechtes oder sein gutes Abschneiden?
Für mich ist es die grössere Überraschung, dass Sanders in Iowa so erfolgreich war. Sanders hat kein «Super-PAC», keine Wahlkampfspendenorganisation. Er nimmt nur Kleinspenden entgegen und kämpft gegen eine der am besten geölten Wahlkampfmaschinerien, die von Hillary Clinton. Wobei: Man hätte es eigentlich kommen sehen können in den letzten Tagen hier in Iowa. Ich war an einem Sanders-Anlass, da war die Energie richtig spürbar, während das Publikum bei Clinton deutlich weniger enthusiastisch unterwegs war. Selbst eine Clinton-Anhängerin sagte mir, Sanders sei zwar cool, aber eben vielleicht zu links für die USA.
Sanders steht für ein neues Amerika. Wer wählt ihn eigentlich? Jene, die frustriert sind vom jetzigen System in den USA?
Nicht vom US-System an sich, aber von der Ungerechtigkeit des US-Systems. Davon, dass die Mittelklasse einfach nicht mehr vom Fleck kommt und die Reichen reicher werden. Das stört einen grossen Teil der Menschen. An der Veranstaltung, an der ich war, waren vor allem junge Leute, Afroamerikaner und Hispanics. Für sie ist der 74-jährige Sozialdemokrat eine Kultfigur. Er wurde bejubelt. Die Sanders-Fans wollen das System auf den Kopf stellen; Einheitskrankenkasse für alle, gratis Uniausbildung, Ausbau des Sozialstaates, alles bezahlt unter anderem mit einer Steuer auf Wall-Street-Spekulationen. Sanders ist zwar schon lange in Washington als Politiker unterwegs. Aber mit seiner konsequenten Politik ist er genauso Anti-Establishment wie einige Republikaner, einfach von links her kommend.
Die Karawane zieht weiter. Am 9. Februar sind die nächsten Vorwahlen in New Hampshire. Sanders kommt aus dem Nachbarstaat. Klingt nach einem Heimspiel...
Es sieht im Moment ganz danach aus. Sanders schneidet in den Umfragen in New Hampshire noch einmal deutlich besser ab als hier in Iowa. Die grosse Frage ist: Was geschieht danach, in South Carolina, Nevada und den weiteren Vorwahlstaaten? Sanders hat seinen Effort vor allem auf Iowa und New Hampshire konzentriert, während Hillary Clinton eine nationale Organisation aufgebaut hat. Kann er seine Revolution auch ausserhalb von Iowa und New Hampshire auslösen? Wenn ja, dann dürfte das Kopf-an-Kopf-Rennen von Clinton und Sanders noch ziemlich lange dauern.
Wir haben die Zahlen aus Iowa. Sagt das schon etwas Handfestes aus über die Präsidentschaftswahl im November?
Das hätten natürlich alle sehr gerne, aber Iowa ist im Grunde genommen erst ein erster Popularitätstest. Nur ein Zehntel der Bevölkerung in Iowa nimmt in der Regel an diesen Wahlkampfveranstaltungen teil. Aber in Iowa trennt sich die Spreu vom Weizen. Es werden die ersten Weichen gestellt. Von dem her ist diese erste Vorwahl eben doch eine wichtige Sache.
Das Gespräch führte Simone Fatzer.