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International US-Sanktionsexperten: «Putin hat nicht die besseren Karten»

In den USA kritisieren Experten aus dem rechten wie linken Lager die bisher verhängten Sanktionen als viel zu mild. Die EU müsse mutiger auftreten, weil die Abhängigkeit Russlands vom Westen grösser sei.

Stuart Eizenstat ist in der Schweiz bekannt als harter Verhandler in der Nazigold-Affäre. In der Regierung Clinton aber war der damalige Vize-Finanzminister zuständig für die Sanktionspolitik. Ende der 1990er-Jahre war der Iran im Fokus, und auch wenn die Sanktionen erst am Anfang standen, hätten sie doch viel weiter gereicht, als die schwarze Namensliste, die Obama und die EU gestern veröffentlicht haben: «Putin wäscht sich jetzt die Hände in Unschuld und denkt, er habe die Krim praktisch gratis gekriegt», sagt Eizenstat zur «Tagesschau».

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Russland – ein schwacher Ölstaat?

Zwar glaubt Eizenstat nicht, dass Putin nun weiter in die Ostukraine vordringen will. Dennoch steht für ihn ausser Frage, dass der Westen mit schärferen Sanktionen nachdoppeln muss, um zu zeigen, dass er die illegale Beschlagnahmung der Krim nicht akzeptiert. «Der Westen irrt, wenn er glaubt, Putin halte alle Trümpfe in der Hand», erklärt Eizenstat.

Die Investitionen der EU und der USA seien lebensnotwendig für Russland, das Land sei ein wirtschaftlich schwacher und zudem korrupter Ölstaat. Wenn Russland wie angedroht mit Gegenmassnahmen reagiert und das Vermögen von westlichen Firmen im Land beschlagnahmen sollte, schade sich Putin damit nur selbst: «Das würde die russische Wirtschaftswachstum um ein Jahrzehnt zurückwerfen», so Bill Clintons ehemaliger Vize-Finanzminister.

Bei weiterer Aggression: Russische Banken isolieren

Diese Meinung vertritt auch Sam Cutler, dessen Kanzlei US-Firmen vertritt, die in sanktionierten Regimes ansässig sind. Cutler schenkt Putins Aussagen, nicht weiter in die Ukraine vorzudringen, wenig Glauben. Für ihn ist klar: Bei weiteren militärischen Schritten müssten die USA radikal durchgreifen und die russischen Banken vom US-Finanzsystem abkoppeln. Damit wäre Russland nur noch ein paar Schritte von der totalen wirtschaftlichen Isolation entfernt, wie dies beim Iran der Fall ist.

Gefährlicher geopolitischer Balanceakt für Obama

US-Präsident Obama geht indes auf einem schmalen Grat, weil er Russland braucht, um die Zerstörung der Chemiewaffen in Syrien und die nukleare Abrüstung im Iran voranzutreiben. US-Experten raten dennoch zu einem schärferen Kurs gegen Russland. «Welche Hilfe bekommt Obama von Putin noch in Syrien?», fragt Eizenstat rhetorisch. Und er verweist darauf, dass Russland letzten Monat für Aufsehen gesorgt hatte mit der Ankündigung, im Iran einen zweiten Reaktor für die Nuklearanlage in Bushehr bauen zu wollen und damit die Sanktionen der internationalen Gemeinschaft zu umgehen.

Der Demokrat Eizenstat hat ganz andere Sorgen: Gleich wie die republikanischen Hardliner im amerikanischen Kongress befürchtet er, dass ein zögerlicher US-Präsident Länder wie den Iran und China dazu einladen könnte, ähnlich aggressiv gegen fremde Terroritorien vorzugehen.

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