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International Verdächtige im Fall Nemzow möglicherweise gefoltert

Die Ermordung des Oppositionspolitikers Boris Nemzow in Moskau beschäftigt die russische Öffentlichkeit weiter. Nun sagen Menschenrechtler, die Hauptverdächtigen seien in Untersuchungshaft gefoltert worden. Der Kreml wiederum stellt die Menschenrechtler an den Pranger – und droht mit einer Anzeige.

Zwei Verdächtige im Mordfall des Kreml-Kritikers Boris Nemzow sind nach Aussagen von Menschenrechtlern möglicherweise bei den Vernehmungen gefoltert worden. Andrej Babuschkin, Mitglied der Menschenrechtskommission im Kreml, hat bei einem Besuch im Gefängnis bei den Männern Schürfwunden gesehen, die einen Folterverdacht nahelegten.

Der Fall Nemzow

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Der Oppositionspolitiker Boris Nemzow war am 27. Februar in Moskau von einem Unbekannten erschossen worden. Wenige Tage später nahm die Polizei fünf Verdächtige aus dem islamisch geprägten Nordkaukasus fest.

Der Chef der Gefangenenkommission, Anton Zwetkow, forderte nun eine Untersuchung. Die verdächtigten Männer behaupteten, mit Baseballschlägern und Stromschlägen gefoltert worden zu sein. Die Blutergüsse und Schrammen könnten aber auch von der Festnahme stammen, meinte Zwetkow.

Kein Essen, Schläge, Angst

SRF-Korrespondent Christof Franzen konnte mit Ewa Merkatschewa sprechen. Sie ist Journalistin und Mitglied der Öffentlichen Beobachtungs-Kommission der Stadt Moskau. Sie konnte die drei Verdächtigen im Fall Boris Nemzow deshalb in der Untersuchungshaft besuchen.

Er hat gestanden, weil er Angst hatte in U-Haft zu sterben.
Autor: Ewa Merkatschewa Menschenrechtlerin

Sie erzählt, der Angeschuldigte Zaur Dadajew habe gesagt, er sei während der Verhaftung gefoltert worden. Man habe ihm einen Sack über den Kopf gezogen und ihn geschlagen.

Der Verdächtige Zaur Dadajew.
Legende: Sagt er die Wahrheit? Der Verdächtige Zaur Dadajew. Reuters

Man habe Dadajew zwei Tage nichts zu essen zu geben, so Merkatschewa weiter. Dadajew habe gesagt, er habe die Tat nur gestanden, weil er unbedingt weg vom Kaukasus nach Moskau wollte. Er habe Angst gehabt, in der U-Haft in Inguschetien zu sterben. Merkatschewa spricht allerdings nicht von systematischer Folter.

Kreml droht den Menschenrechtlern

Die Untersuchungsbehörden haben inzwischen eine Mitteilung verschickt. Darin kritisieren sie, die Menschenrechtler Merkatschewa und Babuschkin hätten ihre Kompetenzen überschritten. Sie hätten sich in gesetzeswidriger Art und Weise in die «materiellen» Belange des Falles eingemischt. Und das, obwohl sie nur eingeladen worden seien, um die Haftbedingungen zu prüfen. Man kläre jetzt die Eröffnung eines Strafverfahrens gegen die beiden ab.

In Moskau ist die Verwirrung gross. Und genau das sei die Absicht, meint Russlandexperte Ulrich Schmid in der Sendung «10vor10». «Je mehr Versionen über diesen Mord und deren Täter kursieren desto besser. Schlussendlich entscheidet der Kreml, was Sache ist und bietet den Russen so wieder die gewünschte Orientierung.»

Anhänger Nemzows glauben Kreml nicht

Mitarbeiter und Anhänger Nemzows vermuten, der russische Sicherheitsapparat könnte etwas mit der Tat zu tun haben. Den Mord tschetschenischen Islamisten in die Schuhe zu schieben, sei nicht anderes, als ein Versuch, den Verdacht von Putin, seinem inneren Machtzirkel oder den Sicherheitskräften abzulenken.

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