Vor gut einem Jahr wurde der Präsident von Burkina Faso durch einen Volksaufstand gestürzt. Blaise Compaoré hatte nach 27 Jahren im Amt vergeblich versucht, seine Herrschaft mit einer Verfassungsänderung zu verlängern. Seither wird Afrikas grösster Baumwollproduzent von einer Übergangsregierung verwaltet.
Versuchter Putsch der Präsidentegarde
Die Stabilität der ehemaligen französischen Kolonie war im September ins Wackeln geraten, als Mitglieder der zu Compaoré loyalen Präsidentengarde einen Staatsstreich anzettelten. Der Putsch scheiterte innerhalb einer Woche, weil sich Bevölkerung und Armee der Garde entgegenstellten. Die ursprünglich für den 11. Oktober geplante Wahl musste um sechs Wochen verschoben werden.
Nun sind am Sonntag rund 5,5 Millionen registrierte Wahlberechtigte unter den knapp 17 Millionen Einwohnern Burkina Fasos aufgerufen, sich für einen der insgesamt 14 Bewerber um das höchste Staatsamt zu entscheiden.
Kaboré oder Diabré
Es wird ein Kopf-an-Kopf-Rennen zwischen zwei Oppositionspolitikern erwartet. Als Favorit gilt der ehemalige Premierminister und Parlamentssprecher Marc Christian Kaboré. Der 58-Jährige ist Präsident der sozialdemokratischen Volksbewegung für Fortschritt (MPP), die sich im vergangenen Jahr aus Protest gegen die geplante Verfassungsänderung von Compaorés Regierung abspaltete.
Kaborés schärfster Rivale ist der ehemalige Finanzminister Zéphirin Diabré, der der sozial-liberalen Union für Fortschritt und Änderung (UPC) vorsitzt. Der 56-jährige Diabré wird aufgrund seiner langjährigen Erfahrung in den Bereichen Finanz, Wirtschaft und Soziales geschätzt.
Beide Kandidaten haben im Wahlkampf Wirtschaftswachstum, Arbeitsplätze, bessere Bildung und Sozialleistungen versprochen. Zur Wahl stehen ausserdem fast 7000 Kandidaten für 127 Abgeordnetensitze.
«Reifetest»
«Die Wahlen sind mit Sicherheit ein Test für die demokratische Reife des Landes», sagt William Assanvo, ein politischer Analyst der afrikanischen Forschungseinrichtung Institut für Sicherheitsstudien (ISS). Einige Wähler hätten das Vertrauen in den Urnengang verloren, doch die Mehrheit hoffe mit den Wahlen auf den Anfang einer lang erwarteten Veränderung.
Bisher verlief der seit Anfang Monat dauernde Wahlkampf ruhig. Übergangspräsident Michel Kafando, der nicht kandidieren darf, hatte wiederholt für eine friedliche Atmosphäre plädiert. Dennoch bestehe das Risiko, das Mitglieder der Präsidentengarde den Wahlprozess stören könnten, erklärt Assanvo.
Hohe Polizeipräsenz
Wenn mehr als 17'000 Wahllokale am Sonntag um 07.00 Uhr MEZ ihre Türen öffnen, werden 25'000 Sicherheitskräfte bereitstehen. Die Präsidentschaftskandidaten stehen unter Polizeischutz. Die Westafrikanische Wirtschaftsgemeinschaft (Ecowas) hat 133 Wahlbeobachter entsandt, die zusammen mit 80 Beobachtern der Europäischen Union den Verlauf der Abstimmung dokumentieren sollen.
Ergebnisse werden bis zum 5. Dezember erwartet. Wenn keiner der Präsidentschaftskandidaten mehr als 50 Prozent der Stimmen gewinnt, wird innerhalb von acht Tagen eine Stichwahl angesetzt.