SRF News: Was macht den Menschen in der Hauptstadt Bujumbura vor allem Angst?
Auf jeder Kreuzung erscheinen Dutzende von bewaffneten Polizisten. Auf den Strassen fahren Lastwagen und Geländewagen mit schwer bewaffneten Soldaten. Das Land ist in einem Ausnahmezustand. Seit einem Monat sind alle Schulen und Universitäten geschlossen, die Wirtschaft ist zunehmend gelähmt, alle privaten Radiostationen wurden nach dem Militärputsch zerstört – man merkt, dass die Leute Angst haben. Auch darin, dass sich niemand getraut, mit einem ausländischen Journalisten zu sprechen. Denn ein Agent könnte mithören. Bujumbura erscheint mir zurzeit wie eine Stadt in Halbgefangenschaft.
Die jüngsten Proteste wurden durch die Ermordung eines Oppositionsführers ausgelöst. Sie haben mit dem Mann kurz vor seinem Tod gesprochen. Was war sein Anliegen?
Wie alle Kritiker der Regierungspartei hat er eine Verschiebung der Wahlen gefordert, den Verzicht von Präsident Pierre Nkurunziza auf eine dritte Amtszeit. Und, besonders brisant: Eine Untersuchung der Korruptionsvergehen des Präsidenten und der aktuellen Regierung. Das war offenbar zu viel: Am Samstag wurde er auf dem Heimweg zusammen mit seinem Leibwächter in der Innenstadt erschossen.
Sie haben heute Morgen mit dem Innenminister von Burundi sprechen können. Was sagt er zur aktuellen Lage?
Es war eine erstaunliche Begegnung. In Burundi, vor allem in Bujumbura, funktioniert eigentlich politisch und wirtschaftlich gar nichts mehr. Aber er sagte mir, alles sei normal und die Wahlen würden wie geplant Ende Juni stattfinden. Die Meinungs- und Medienfreiheit sei gewährleistet. Dass dem nicht so ist, zeigt der Alltag des Innenministers selber: Sein Büro wird zurzeit von westlichen Diplomaten belagert – man versucht die Regierung zur Vernunft zu bringen. Ich glaube aber nicht mehr daran, dass sie die Lage noch entschärfen können.
Sie haben die Polizei erwähnt, die noch hinter dem Präsidenten steht. Bei der Armee sieht das offenbar anders aus: Letzte Woche haben Armeeangehörige einen Putsch versucht.
Das hat sich nach dem Putsch geändert. Dessen erfolgreiche Niederschlagung hat die Position des Präsidenten eher noch gestärkt. Die Armee wurden nach dem Putsch von kritischen und moderaten Elementen gesäubert. Teilweise wurden hohe Militärs verhaftet, andere sind geflohen. Der Präsident kann sich im Moment nicht nur auf die Polizei, sondern auch auf die Armee verlassen.
In Burundi kam es in den 1990er-Jahren – wie in Ruanda – zu schrecklichen Massakern, verübt von Hutu und Tutsi. Hat die jetzige Krise in Burundi auch eine ethnische Komponente?
Es gibt selbstverständlich auch hier Scharfmacher. Aber das ethnische Argument oder Propaganda sind mir bis heute in den Gesprächen schlicht nicht begegnet. Im Gegenteil: Der Chef der grössten Oppositionspartei sagte mir auf die entsprechende Frage, er sei ein Hutu – wie der Präsident – und komme aus dem gleichen Dorf. Trotzdem erachte er den Präsidenten als unfähig und kriminell.
Aber ein Bürgerkrieg ist nicht auszuschliessen?
Das ist wiederum ein anderes Kapitel. Prognosen sind immer schwierig. Es ist zwar eine Minderheit, die momentan auf den Strassen protestiert. Aber sehr viele Leute sind klar gegen eine dritte Amtszeit des Präsidenten. Sie beobachten das Geschehen momentan gelassen, sogar mit schwarzem Humor. Aber sie prophezeien: Sollte der Präsident die Wahlen erzwingen und unter Ausschluss der Opposition gewinnen, gebe es einen Bürgerkrieg.
Das Gespräch führte Roman Fillinger.