Zwei Wahrzeichen in Kathmandu vorher und nachher
Die Zahl der Toten nach dem gewaltigen Erdbeben in der Himalaya-Region steigt immer weiter. Allein in Nepal starben nach Angaben des Innenministeriums vom Dienstag 5057 Menschen. Zudem gebe es mehr als 8000 Verletzte.
Auf der Suche nach Wasser und Nahrung verliessen Zehntausende Menschen das schwer getroffene Kathmandu-Tal. Die nepalesische Zeitung «Himalayan Times» gab ihre Zahl mit mehr als 72'000 an.
Das Erdbeben der Stärke 7,8 hatte am Samstag grosse Teile Nepals sowie die angrenzenden Länder Indien und das chinesische Tibet getroffen.
Auf chinesischer Seite stieg die Zahl der Toten auf 25. Es wird befürchtet, dass dort noch mehr Menschen ums Leben gekommen sind. Viele Strassen sind noch blockiert und Telekommunikationsverbindungen unterbrochen, wie die amtlicher Nachrichtenagentur Xinhua meldete. In Indien starben mindestens 72 Menschen.
Regierung gibt Fehler zu
Die Schweiz hat bisher keine Todesopfer zu beklagen, wie Ralf Heckner, Chef des Krisenmanagement-Zentrums des Eidgenössischen Departements für auswärtige Angelegenheiten (EDA), am Montag erklärte. Mehr dazu lesen Sie hier.
Die Regierung ordnete drei Tage Staatstrauer an und räumte ausserdem erstmals öffentlich ein, trotz zahlreicher Warnungen vor einem bevorstehenden grossen Beben nicht ausreichend vorbereitet gewesen zu sein. «Wir haben nicht genügend Mittel, und wir brauchen mehr Zeit, um alle zu erreichen», erklärte Innenminister Bam Dev Gautam im staatlichen Fernsehen. Die Behörden hätten Schwierigkeiten, die Krise zu meistern. «Wir waren auf ein Desaster dieses Ausmasses nicht vorbereitet.»
Selbst in der Hauptstadt Kathmandu beschwerten sich zahlreiche Menschen: «Wir leben hier auf der Strasse, ohne Essen und Wasser, und wir haben in den vergangenen drei Tagen (seit dem Beben) keinen einzigen Beamten gesehen», sagte ein Mann, der mit seiner Familie im Freien campiert.
Heftige Kritik an der Regierung
Die meisten Menschen verbrachten eine weitere Nacht in Parks, öffentlichen Plätzen oder auf den Strassen. Zusätzlich werden die Einwohner von Nachbeben aufgeschreckt. Die Stromversorgung ist zusammengebrochen, so dass weder Wasserversorgung noch Telekommunikation gut funktionieren.
«In unserer Gegend gehen die Lebensmittel aus. Die Läden sind so gut wie nicht geöffnet. Und wenn sie doch aufmachen, gibt es einen Ansturm, und alles ist binnen Minuten weg», beklagte ein anderer Überlebender.
Die Menschen kritisieren auch, ihnen mangele es an Gas zum Kochen. Der Regierung werfen sie vor, nicht genügend für sie zu tun. Aus einigen Stadtvierteln wurden zudem Einbrüche gemeldet. Vor Tankstellen bildeten sich lange Schlangen.
Nach den Erdbeben-Lawinen am Mount Everest konnten von dort inzwischen fast alle festsitzenden Bergsteiger ins Tal geflogen werden. Bislang seien 205 von ihnen am höchsten Berg der Welt gerettet worden, sagte ein örtlicher Polizeisprecher.
Die Polizei sprach von 17 Menschen, die durch eine Lawine im Everest-Basislager gestorben seien. Ein Sprecher der Tourismusbehörde gab die Zahl mit mindestens 20 an. Das indische Militär, das bei der Rettungsaktion mithalf, sprach von 22 Toten. Zum Zeitpunkt des Unglücks hielten sich etwa 1000 Menschen im Basislager auf. Mehr dazu lesen Sie hier.
Flughafen von Kathmandu überlastet
Am frühen Morgen starteten mehrere Flugzeuge von Kathmandu und machten somit Parkpositionen für ankommende Flieger frei. Der einzige internationale Flughafen Nepals war am Vortag wegen des Andrangs überlastet. Mehrere Maschinen mit Hilfsgütern und Helfern mussten umkehren.
Am Mittwoch soll ein achtköpfiges Team aus der Schweiz für medizinische Hilfe mit dem Bundesrats-Jet nach Nepal geflogen werden. Mehr zur Schweizer Hilfe lesen Sie hier.
Viele Touristen konnten nicht ausfliegen. Organisationen wie Ärzte ohne Grenzen schicken auch Teams über beschwerlichen Landweg in die betroffenen Gebiete – von Indiens Hauptstadt Neu Delhi dauert es drei bis fünf Tage.
UNO: Acht Millionen Menschen betroffen
Das Kinderhilfswerk der Vereinten Nationen Unicef machte darauf aufmerksam, dass vom Beben auch eine Million Kinder betroffen sind. Nach Schätzungen der UNO sind etwa acht Millionen Menschen von dem schweren Erdbeben im Himalaya betroffen. Mehr als 1,4 Millionen davon bräuchten Nahrungsmittel, berichtete das Amt für die Koordinierung humanitärer Angelegenheiten (OCHA) in New York.
Wasser und Unterkünfte würden benötigt. Für die Gesundheitsversorgung müssten medizinische Zelte, Medikamente und chirurgische Geräte ins Land gebracht werden. Auch Leichensäcke würden gebraucht.
Am 5. Mai organisiert die Glückskette in der Schweiz gemeinsam mit der SRG und mit Unterstützung der Privatradios einen nationalen Solidaritätstag . 13 Partnerhilfswerke sind zurzeit in Nepal aktiv, wie die Glückskette mitteilte.