Beim Chemiewaffenverbot, das mehr als 190 Länder unterzeichnet haben, ist die Bezeichnung «historisch» ausnahmsweise gerechtfertigt. Eine ganze Waffengattung wurde dadurch illegal: Herstellung, Lagerung, Handel und natürlich der Einsatz.
Mehr als 72 000 Tonnen chemische Kampfstoffe wurden seit dem Inkrafttreten des Abkommens 1997 vernichtet. Gegen 10'000 Inspektionen führte die Organisation for the Prohibition of Chemical Weapons (OPCW) seither durch, die Organisation mit Sitz in Den Haag, die das Abkommen umsetzt. 2013 erhielt sie dafür den Friedensnobelpreis und erntete unisono Applaus.
Unabhängigkeit wird infrage gestellt
«Sehr speziell, ja fantastisch sei dieser Moment», sagte der damalige OPCW-Chef Ahmet Üzümcü und berichtete stolz: «Die Durchsetzung des Verbots verläuft sehr zufriedenstellend.» Heute kann sein Nachfolger Fernando Arias weniger Positives berichten: «Syrien hat bis heute weder korrekt noch umfassend rapportiert über seine Chemiewaffenarsenale», die es verbotswidrig und heimlich behalten hat.
Die Kritik der OPCW an Syrien und an Russland wegen des Einsatzes des Nervenkampfstoffs Nowitschok gegen den Ex-Agenten Sergej Skripal in Grossbritannien und den Oppositionellen Alexej Nawalny bringt wiederum Moskau dazu, der internationalen Chemiewaffenbehörde vorzuwerfen, sie sei politisiert. Damit wird die Unabhängigkeit der Organisation infrage gestellt und diese damit geschwächt.
Das Foreign Policy Research Institute in Philadelphia versammelte nun eine Reihe jener Unterhändlerinnen und Unterhändler, die in den 1980er- und 1990er-Jahren das Chemiewaffenverbot ausgehandelt haben. Sie sind weiterhin überzeugt: «Das Abkommen war ein Meilenstein», wie es der Amerikaner Ronald Lehman ausdrückt: «Man hat damals, am Ende des Kalten Kriegs, die günstige Gelegenheit der politischen Entspannung genutzt.»
Wer die Regeln brechen will, findet einen Weg
«Das Wichtigste am Vertrag», so der Brite John Walker, «sind regelmässige und strenge Inspektionen in allen Mitgliedsländern.» Denn jedes Abrüstungsabkommen ist nur so gut wie dessen Verifizierung.
Doch gerade der Fall Syrien zeige, dass das Inspektionsregime, trotz aller Vorkehrungen, Lücken habe, klagt der Deutsche Ralf Trapp. Und für die Amerikanerin Lisa Bronson ist klar: «Ist ein Vertragsstaat finster entschlossen, die Regeln zu brechen, findet er immer einen Weg.»
Syrien ist ein offenkundiger Regelbrecher. Es wird nun immerhin mit dem Entzug des Stimmrechts in der OPCW bestraft. Doch auch Russland verheimlichte die Fortführung des Nowitschok-Programms. Und Nordkorea besitzt immer noch zwischen 2500 und 5000 Tonnen C-Waffen und trat als einer von ganz wenigen Staaten dem C-Waffenverbot nie bei. Mindestens so bedenklich ist, dass zunehmend nichtstaatliche Akteure, etwa die Dschihadisten in Syrien, auf C-Waffen setzen.
Nun auch in den Händen der Terrorgruppen
Während Staaten vertuschen, dass sie geächtete C-Waffen besitzen oder gar einsetzen, weil das für sie einen Reputationsschaden bedeutet, brüsten sich Terrorgruppen oder Milizen gar damit. Die schlechte Nachricht laute deshalb, so Ronald Lehmen: «C-Waffen sind zurück.»
Die übrigen C-Waffen-Unterhändler sind sich mit ihrem Kollegen Lehman einig: «Heute könnte man kein weltweites Chemiewaffenverbot mehr erwirken.» Es fragt sich, ob sich das glücklicherweise bestehende retten und umfassend durchsetzen lässt.