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Israel schliesst Sender Al Jazeera – das Sprachrohr der Hamas im Gaza-Krieg?

Israel stellt Al Jazeera als Komplizen des Terrors dar und zieht dem katarischen Sender den Stecker. Das ist dran an den Vorwürfen.

Schon länger bezichtigt die israelische Regierung Al Jazeera, ein Sprachrohr der Hamas zu sein. Nun lässt sie ihren Ankündigungen Taten folgen: Der «Hetz-Sender», wie ihn Netanjahu nennt, wird in Israel geschlossen. Der Premierminister hatte dem Sender vor dem Hintergrund des Gaza-Kriegs vorgeworfen, dieser habe «die Sicherheit Israels beschädigt, aktiv am Massaker am 7. Oktober teilgenommen und gegen israelische Soldaten gehetzt».

Al Jazeera-Korrespondent im Westjordanland.
Legende: Mit der Anordnung können Büroräume in Israel geschlossen, die Sendeausrüstung beschlagnahmt, der Sender aus dem Programm der Anbieter von Kabel- und Satellitenfernsehen entfernt und seine Internetseite blockiert werden. Bild: Al Jazeera-Korrespondent im Westjordanland. Keystone/AP/Nasser Nasser

Das israelische Parlament hatte zuvor das sogenannte Al-Jazeera-Gesetz gebilligt. Dieses ermöglicht eine Schliessung ausländischer TV-Sender, wenn diese als Risiko für die Staatssicherheit eingestuft werden.

Beim Vorgehen gegen Al Jazeera schwinge auch politisches Kalkül mit, schätzt SRF-Auslandredaktor Philipp Scholkmann. «Nach mehr als einem halben Jahr Krieg ist Netanjahu unter Druck, er muss der israelischen Bevölkerung etwas vorweisen.»

Al Jazeera zeigt im Gaza-Krieg, was die palästinensische Bevölkerung aufwühlt: die Schreie der Verwundeten, die obdachlosen Familien, die zerstörten Wohnviertel, die Massengräber.
Autor: Philipp Scholkmann Auslandredaktor

Rechte Hardliner in Israel unterstützen das Durchgreifen gegen den Sender und seine vermeintliche Terrorpropaganda. Liberale Kritiker sehen darin allerdings ein Zeichen der Schwäche. Der Vorwurf: Netanjahu reagiere mit «Maulkorbgesetzen», um missliebige Stimmen zum Schweigen zu bringen.

USA und UNO kritisieren Schliessung des Senders

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Die US-Regierung kritisiert die Entscheidung der israelischen Regierung, Al Jazeera in Israel zu schliessen. «Wir haben ganz deutlich zum Ausdruck gebracht, dass wir die Medienfreiheit auf der ganzen Welt unterstützen, auch in Israel, und dass wir über diese Massnahme sehr besorgt sind», sagte der Sprecher des US-Aussenministeriums, Matthew Miller, am Montag in Washington. Auf Nachfrage eines anwesenden Reporters, ob die US-Regierung gegen die Schliessung des Senders sei, konkretisierte Miller: «Das sind wir.»

Auch die Vereinten Nationen betonten die Bedeutung der Medienfreiheit. «Wir stehen fest gegen jede Entscheidung, die Pressefreiheit zurückzufahren», sagte ein UN-Sprecher am Sonntag in New York. «Die freie Presse leistet einen Dienst von unschätzbarem Wert, um sicherzustellen, dass die Öffentlichkeit informiert und engagiert ist.»

Al Jazeera sendet einerseits in englischer Sprache und versteht sich hier als eine Art Stimme des globalen Südens: «Der Sender richtet sich damit auch an ein linksgerichtetes Publikum in westlichen Ländern», sagt Scholkmann. Im Zentrum der Kritik steht aber seit jeher der arabische Basisdienst. «Dieser ist in der Palästina-Frage viel direkter engagiert.»

In der jüdischen Mehrheitsgesellschaft Israels werde der arabische Sender zwar nicht konsumiert – aber von vielen als Feindbild wahrgenommen. Für die arabische Minderheit im Land sei das Programm aber eine wichtige Stimme: «Sie zeigt im Gaza-Krieg, was die palästinensische Bevölkerung aufwühlt: die Schreie der Verwundeten, die obdachlosen Familien, die zerstörten Wohnviertel, die Massengräber.» All dies blendeten die israelischen Medien weitgehend aus, so der ehemalige Nahost-Korrespondent von SRF.

Blick ins Studio von Al Jazeera in Doha
Legende: Al Jazeera wurde 1996 gegründet und hat seinen Hauptsitz in Doha. Er galt als einer der ersten arabischen TV-Sender, der auch kritische Berichte über die Region veröffentlichte, und gewann daher schnell an Popularität in der arabischen Welt. Keystone/AP/AL JAZEERA (Archiv)

Israel verbietet internationalen Medien den Zugang zum Kriegsgebiet. So ist Al Jazeera mit seinen Journalisten im Gazastreifen eines der wenigen Medienhäuser, das direkt vom Kriegsgeschehen berichtet. Und das unter enormem Einsatz: So wurden schon mehrere der Reporter bei der Arbeit getötet, viele haben Angehörige im Krieg verloren.

Blinde Flecken

Doch was ist dran am Vorwurf, dass Al Jazeera das Sprachrohr der Hamas sei? Für Scholkmann greift diese Darstellung zu kurz: So berichte der Sender auch über die Stellungnahmen der israelischen Regierung. Neutral sei er aber nicht: «Al Jazeera nimmt klar Partei in diesem Konflikt, wie im Übrigen auch schon in früheren Konflikten.» Und in der Berichterstattung habe der Sender oft auch blinde Flecken.

Kriegsberichterstattung mit Schlagseite

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Das Credo von Al Jazeera: Wo kriegführende Mächte in arabischen Ländern vorgeben, chirurgische Militärschläge und präzise Sicherheitsoperationen durchzuführen, zeigt der Sender auch die Gegenseite: nämlich die Folgen der Militärschläge, gerade auch für die Zivilbevölkerung. «Das bekamen etwa auch schon die Amerikaner im Irak-Krieg zu spüren», sagt Scholkmann. Im Syrien-Krieg bezog Al Jazeera klar Stellung gegen das Assad-Regime: Es berichtete aus Rebellengebieten, die dem Bombenhagel des Regimes und seiner Verbündeten ausgesetzt waren.

 «Allerdings zeigte sich hier auch die Schlagseite», so der Auslandredaktor von SRF: «Al Jazeera präsentierte den Syrien-Krieg als die Revolution der syrischen Bevölkerung gegen den Diktator.» Wie fragmentiert die Lage war und auch, dass auf der Seite der Opposition Extremisten mitmischten, sei dabei aber weitgehend ausgeblendet worden. Ebenso, dass das Emirat Katar – der Geldgeber des Senders – selber im Konflikt verstrickt war. Seit dem arabischen Frühling gab es auch wiederholt Vorwürfe, dass Al Jazeera islamistischen Kräften wie den Muslimbrüdern nahestehe.

Im Gaza-Konflikt bedient sich Al Jazeera regelmässig Videos des militärischen Arms der Hamas von Angriffen auf israelische Soldaten. Die palästinensischen Milizen nennt er «Widerstandsgruppen», die israelische Armee «Besatzungsarmee»: «Das läuft Netanjahus Narrativ diametral entgegen, der im Gaza-Krieg ein Terrornetz am Werk sieht», schliesst Scholkmann. Mit seiner Darstellung des Kriegs treffe Al Jazeera allerdings einen Nerv. Und das nicht nur bei der palästinensischen Bevölkerung, sondern bei einem Millionenpublikum in der ganzen arabischen Welt.

SRF 4 News, 07.05.2024, 7:45 Uhr ; 

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