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Italien greift Frankreich an «Der Vorwurf lautet, Frankreich beute Afrika nach wie vor aus»

Dicke Luft zwischen Italien und Frankreich: Der Grund sind Aussagen des italienischen Vizepremierministers Luigi Di Maio, Chef des «Movimento Cinque Stelle». Er macht Frankreich für die Flüchtlingsströme aus Afrika verantwortlich. Frankreich hat inzwischen die italienische Botschafterin einbestellt. Franco Battel, SRF-Korrespondent in Rom, erklärt, was hinter den Vorwürfen steckt.

Franco Battel

Italienkorrespondent

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Franco Battel ist seit 2024 wieder Italienkorrespondent bei Radio SRF. Zuvor war er Auslandredaktor. Bereits von 2015 bis 2021 berichtete Battel als Korrespondent für Italien und den Vatikan aus Rom. Zuvor war er als Auslandredaktor für Mexiko, Zentralamerika, Kuba und Liechtenstein verantwortlich.

SRF News: Was genau wirft Italiens Vizepremier Frankreich vor?

Franco Battel: Luigi Di Maio und andere Politiker des «Movimento Cinque Stelle» sagen, Frankreich habe in Afrika nie aufgehört, eine Kolonialmacht zu sein. Der Vorwurf lautet, Frankreich beute Afrika nach wie vor aus. Dies führe dazu, dass sich Millionen von Afrikanern auf den Weg Richtung Europa und damit auch nach Italien machten.

Wie reagiert Frankreich auf diese Kritik?

Frankreich hat die italienische Botschafterin in Paris einbestellt. Das ist zwischen Nachbarländern eine doch ziemlich scharfe Massnahme. Frankreich wehrt sich gegen diese Vorwürfe des Kolonialismus.

Menschen fliehen längst nicht nur aus ehemaligen französischen Kolonien.

Sicher hat Frankreich Fehler gemacht. Sicher spielt Frankreich in den ehemaligen Kolonien in Afrika noch immer eine wichtige Rolle. Aber Menschen fliehen längst nicht nur aus ehemaligen französischen Kolonien Richtung Norden, sondern auch aus anderen Ländern, die früher andere Kolonialherren hatten; notabene auch aus ehemaligen italienischen Kolonien wie etwa Libyen und Somalia.

Rom und Paris liegen nicht zum ersten Mal im Streit...

Ja, schon unter der sozialdemokratischen Vorgängerregierung haben Rom und Paris miteinander gestritten. Es ging dabei vor allem um die Flüchtlinge, die sich die beiden Länder gegenseitig an der Grenze, beispielsweise in Ventimiglia oder in Bardonecchia, zugeschoben haben. Aber seit in Italien nun Lega und die Fünf Sterne regieren, hat dieser Streit an Schärfe zugelegt.

Macron hat den italienischen Populismus mit einer Krankheit verglichen.

Innenminister Matteo Salvini warf Frankreich vor, zu wenige Flüchtlinge zu übernehmen. Di Maio hat sich mit den «Gilets Jaunes» solidarisiert und ihnen zugerufen, nicht aufzuhören mit den Protesten. Das ist klar eine Einmischung in innerfranzösische Angelegenheiten.

Trägt auch Frankreich zu dieser getrübten Stimmung bei?

Frankreichs Regierung hat in der Vergangenheit ebenfalls nicht mit schrillen Tönen gespart. Der französische Präsident Emmanuel Macron beispielsweise hat im Hinblick auf Italien von einem «leprösen Populismus» gesprochen. Er hat damit also den italienischen Populismus mit einer Krankheit verglichen.

Im Mai stehen Wahlen fürs EU-Parlament an. Sind die schrillen Töne in diesem Zusammenhang zu sehen?

Ich denke schon. Die Regierungen in Rom und Paris sind da ganz eindeutig Gegenspieler. In Rom regieren Parteien, die EU- und Euro-skeptisch sind. Und in Paris regieren mit Macron ein Präsident und eine Partei, die die EU weiterentwickeln, sogar stärken möchten. Zwei Weltbilder prallen aufeinander.

Ist eine schnelle Lösung des Konflikts in Sicht?

Ich denke nicht. In den letzten Monaten ist so viel Geschirr zerschlagen worden, dass ich mir nicht vorstellen kann, dass eine schnelle Aussöhnung geschehen wird. Französische Minister sind sehr selten hier in Rom anzutreffen. Auf der anderen Seite reisen italienische Minister derzeit nur sehr spärlich nach Paris.

Es steckt sehr viel Sand im Getriebe des eigentlich nachbarschaftlichen Verhältnisses.

Das ganze bilaterale Verhältnis ist auf Sparflamme. Es steckt sehr viel Sand im Getriebe des eigentlich nachbarschaftlichen Verhältnisses. Und wie man schnell aus dieser Sackgasse herauskommen könnte, wissen beide Regierungen nicht.

Das Gespräch führte Joël Hafner.

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