Es waren die Olympischen Spiele in Paris, die den Italienerinnen und Italienern vor Augen führten, dass ihr Land längst nicht mehr alleine jenes der Rossi, der Bianchi oder der Brambilla ist. Italienerinnen und Italiener mit Migrationshintergrund trugen stark dazu bei, dass man insgesamt 40 Medaillen nach Hause brachte – 12 davon goldene.
Und in vielen Branchen, vor allem in der Landwirtschaft, im Tourismus oder auf dem Bau würde ohne Ausländerinnen und Ausländer rein gar nichts mehr funktionieren. Darauf will nun eine der drei Regierungsparteien reagieren: Die von Silvio Berlusconi gegründete Rechtspartei Forza Italia fordert das sogenannte ius scholae. Wer in Italien eine gewisse Anzahl Schuljahre absolviert hat, soll automatisch Italienerin oder Italiener werden.
Lega und Fratelli d'Italia dagegen
Das war der sprichwörtliche Stich ins Wespennest. Matteo Salvinis Lega zetert seit Tagen, das gehe gar nicht. Und Giorgia Melonis Fratelli d'Italia sagen moderater dasselbe. Beide Parteien haben seit jeher mit dem Slogan Wahlkampf betrieben, Italien zuerst. Sie versprachen die harte Hand gegen Migranten.
In diesem Richtungsstreit der Regierung Meloni wurden die Töne zuletzt deutlich schriller: Die Lega sieht gar die Stabilität der Koalition in Gefahr. Dass Forza Italien in dieser Frage vorprescht, ist kein Zufall. In Umfragen zeigt sich eine Mehrheit diesem Anliegen gegenüber aufgeschlossen, wozu sicher auch die vielen Gold-Medaillen beigetragen haben.
Die von Antonio Tajani geführte Partei bewegte sich zuletzt Richtung politische Mitte. Dort werden italienische Wahlen oft gewonnen. Tajani möchte sich und seiner Partei offensichtlich ein neues Wählersegment erschliessen. Rund eine halbe Million Jugendliche könnten gemäss Schätzungen innert kurzer Zeit das italienische Bürger- und Wahlrecht erhalten.
Melonis Koalition im Gegenwind
Doch der Zwist ums Bürgerrecht ist nicht der einzige Spalt in der Regierung Meloni. Vor der Sommerpause stritt man sich über die Wiederwahl Ursula von der Leyens als Präsidentin der EU-Kommission. Tajanis Forza Italia war klar für deren Wahl, Meloni lavierte und Salvini war klar dagegen.
Auch beim lieben Geld liegt man in Rom über Kreuz. Italien muss dringend sparen, doch über das Wie und Wo gibt es keinen Konsens. Giorgia Melonis Koalition ist ziemlich genau zwei Jahre nach ihrem Sieg an den Urnen in unruhigere Gewässer geraten.