Man muss nur dem Duft folgen. Denn bevor man die «Festa dell'Unità», das Fest der Sozialdemokraten, sieht, riecht man es. Lammfleisch und Polenta schmoren auf einem Grill. Gegessen und getrunken – Lambrusco direkt vom Fass – wird nebenan, im Festzelt.
Mehrmals im Jahr lädt der sozialdemokratische Partito Democratico alle Bewohnerinnen und Bewohner Imolas ein, sagt Parteiaktivist Alfonso Alvisi: «Wir treffen das Volk, wir essen und diskutieren über Politik.»
Grosse Vergangenheit, düstere Gegenwart
Diese Feste gab es schon, als die Sozialdemokraten noch Kommunisten waren. Alvisi rechnet vor: «Vor fast 50 Jahren bin ich dem Partito Comunista beigetreten, Zeiten waren das…» Heute aber stecke die Nachfolgepartei, der Partito Democratico, in der Krise: «Die Jungen sind weg, das ist unser Problem.»
Tatsächlich sind die Sozialdemokraten nur unter den Pensionierten stärkste politische Kraft geblieben. Die Jungen aber wählen nicht mehr links, sondern mehrheitlich die Protestbewegung der Fünf Sterne. Viele von ihnen sind in der Krise arbeitslos geworden, haben nur kurzfristige Verträge. Auch in Imola, dieser Kleinstadt, in der es einmal viel Gewerbe und Industrie gab.
Selbstkritik und Unverständnis
Mirella Tosi hat eben noch grosszügig gefüllte Teller serviert. Nun macht die Genossin kurz Pause. Sie sagt: «Unsere Regierungen, die von Matteo Renzi und Paolo Gentiloni, haben doch eigentlich gute Politik gemacht.»
Gleichgeschlechtlichen Paaren habe man die Partnerschaft ermöglicht. Und die Patientenverfügung eingeführt. «Trotzdem haben wir die Wahl am 4. März verloren, haushoch», klagt Mirella Tosi.
Es könnte noch schlimmer kommen: Am 10. Juni, bei der Kommunalwahl, könnte die Linke die Macht auch in der roten Hochburg Imola verlieren. Erstmals seit genau 72 Jahren: «Wir haben uns zu wenig um die soziale Sicherheit gekümmert», sagt Tosi selbstkritisch.
Die Statistik dokumentiert das: In den 5 Jahren sozialdemokratischer Regierungen nahm die Armut im Land weiter zu, mehr Italienerinnen und Italiener arbeiten ohne festen Vertrag. Zwar wächst Italiens Wirtschaft wieder, bescheiden, doch dieses Wachstum kommt unten noch nicht an.
Die Bande von einst gibt es nicht mehr
Susanna Camusso leitet in Rom die grösste Gewerkschaft Italiens, die CGIL. Sie sagt ganz offen: der Grossteil unserer Mitglieder wählt heute nicht mehr die Sozialdemokraten, sondern die Fünf Sterne: «Wir haben den Wählerschwund der Sozialdemokraten analysiert.»
Camusso wird deutlich: Die Partei habe Fehler gemacht, eigentlich müsse man sie neu gründen. Der Partito Democratico habe die EU-Politik einfach umgesetzt. Und im Zentrum dieser Politik, dieser Sparpolitik, stünden weder Arbeiter noch Angestellte.
Früher waren die CGIL und die Linke Verbündete. Diese Bande bestehen nicht mehr, sagt Camusso: «Wir sprechen mit allen Parteien.»
Das klingt unverbindlich und ist genauso gemeint. In vielen Fragen, beim Rentenalter oder dem Kündigungsschutz, würden die Gewerkschaften Positionen vertreten, die näher bei den 5 Stelle als bei den Sozialdemokraten seien.
Eine neue Botschaft für eine neue Zeit
Zurück am Fest in Imola. Roberto Paoli war hier in der Nähe, in einem Dorf, Bürgermeister. 70 Prozent der Stimmen habe er geholt. Damals für den Partito Comunista. Lange her. Doch eines bleibe: Er wasche noch immer die Teller, am Fest der Unità, der linken Einheit.
Die Linke brauche es weiterhin, davon ist Paoli überzeugt, denn den Versprechungen der Fünf Sterne und der Lega würden kaum Taten folgen. Trotzdem warnt er davor, einfach auf deren Misserfolg zu wetten: «Wir müssen bescheidener, verständlicher werden, zu den Leuten gehen.» Sagt er und tut's: Er geht ins Festzelt um die leeren Teller abzuräumen.