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Italiens Regierungkoalition «Der Schaukampf ist zumindest vorläufig vorbei»

Die zwei italienischen Regierungsparteien, die Lega und die Fünf-Sterne-Bewegung, haben das Kriegsbeil begraben. Bei einem Treffen in Rom bekräftigten die beiden Parteichefs, Matteo Salvini und Luigi Di Maio, die Zusammenarbeit gehe weiter. Die Regierung habe wichtige Ziele umzusetzen.

Salvini und Di Maio reagieren damit auf ein Ultimatum von Premier Giuseppe Conte. Dieser hatte gedroht, er werde zurückzutreten, sollten die beiden Regierungsparteien nicht wieder vernünftig zusammenarbeiten. Damit scheint ein mehrwöchiger Dauerstreit vorläufig beendet. SRF-Italienkorrespondent Franco Battel erklärt die Hintergründe.

Franco Battel

Italienkorrespondent

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Franco Battel ist seit 2024 wieder Italienkorrespondent bei Radio SRF. Zuvor war er Auslandredaktor. Bereits von 2015 bis 2021 berichtete Battel als Korrespondent für Italien und den Vatikan aus Rom. Zuvor war er als Auslandredaktor für Mexiko, Zentralamerika, Kuba und Liechtenstein verantwortlich.

SRF News: Warum hat sich das Verhältnis zwischen den Regierungsparteien verbessert?

Franco Battel: Offenbar sind nun sowohl die Lega als auch die Fünf-Sterne-Bewegung bereit, den Wahlkampfmodus, in den sie vor den Europawahlen geschaltet hatten, hinter sich zu lassen. Di Maio und Salvini hatten sich während des Wahlkampfs während Wochen nicht gesehen. Nun sprechen sie wieder miteinander. Der Schaukampf ist zumindest vordergründig vorbei. Es werden keine Gehässigkeiten mehr ausgetauscht.

Conte hat als Schiedsrichter von der Seitenlinie her zur Mässigung auf dem Spielfeld aufgerufen.

Premier Conte hatte mit Rücktritt gedroht. Hat er das Ultimatum schon zurückgezogen?

Premier Conte ist noch auf Reisen im Fernen Osten. Aber man kann annehmen, dass er sein Ziel erreicht hat. Er hat quasi als Schiedsrichter von der Seitenlinie her zur Mässigung auf dem Spielfeld aufgerufen.

Der Streit hat über Wochen während des Wahlkampfs für die EU-Parlamentswahlen angedauert. Ist er nun beendet oder werden die Differenzen einfach unter den Teppich gekehrt?

Es gibt immer noch offene Wunden. Nach diesem Europawahlkampf steht die Lega als stärkste Partei da. Sie hat die Fünf-Sterne-Bewegung in der Wählergunst klar überflügelt. Das war vor einem Jahr bei der nationalen Wahl ganz anders. Neben diesem numerischen Problem gibt es auch inhaltliche Probleme. Erstens möchte die Lega möglichst schnell eine Flat Tax, eine Tiefsteuersteuer, die vor allem Reiche bevorzugt. Die Fünf-Sterne-Bewegung hat Widerstand angemeldet.

Die Wählergunst der Fünf-Sterne-Bewegung wurde innerhalb eines Jahres halbiert

Zweitens möchte die Lega, dass die reichen italienischen Regionen des Nordens – der Veneto oder die Lombardei – mehr Autonomie erhalten. Auch das will die Fünf-Sterne-Bewegung, die vor allem in Süditalien stark ist, nicht. Drittens sind sich die beiden Parteien auch beim Basistunnel von Lyon nach Turin uneinig. Die Lega möchte ihn bauen, die Fünf-Sterne-Bewegung nicht. Die Liste der Projekte, bei denen man sich nicht einig ist, liesse sich beliebig verlängern.

Wenn diese Koalition zerbrechen würde, gäbe es Neuwahlen. Haben die Lega und die Fünf-Sterne-Bewegung überhaupt ein Interesse daran?

Die Fünf-Sterne-Bewegung ist in einem Formtief und hat kein Interesse an Neuwahlen. Ihre Wählergunst wurde innerhalb eines Jahres halbiert. Viele Parlamentarierinnen und Parlamentarier der Bewegung haben Angst, bei einer Neuwahl ihren Sitz zu verlieren. Diese Angst führt zu einer gewissen Beharrungskraft oder anders ausgedrückt, zu einer gewissen Stabilität. Auch Lega-Chef Salvini profitiert von dieser Koalition, denn er hat einen Partner gefunden, der ihm die Bühne überlässt. Dass er wieder so einen finden würde, davon ist nicht auszugehen.

Das Gespräch führte Joël Hafner.

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