SRF News: Was hat sich in den letzten fünf Jahren seit den letzten Feierlichkeiten 2012 in Hongkong verändert?
Martin Aldrovandi: Chinas Einfluss auf Hongkong hat in den letzten Jahren sehr stark zugenommen. Politisch hat sich sehr viel verändert, ich würde sagen, fast mehr als in den 15 Jahren davor. Ein Beispiel dafür ist die Buchhändler-Affäre, über die die Hongkonger besonders erschrocken sind. Mehrere Mitarbeiter eines China-kritischen Verlages waren plötzlich verschwunden und tauchten in China wieder auf, wo sie festgehalten worden waren. Die meisten Leute in Hongkong interessierten sich gar nicht für diese Bücher, aber sie waren trotzdem sehr geschockt. Sie haben auch Angst, von den Chinesen überrannt zu werden, sprachlich und kulturell, zum Beispiel von den vielen Millionen chinesischen Einkaufstouristen.
Sprachlich ist es die Angst, dass Kantonesisch von der Hochsprache Mandarin verdrängt wird. Es gibt die Forderung nach einer direkten Wahl des Regierungschefs oder der Regierungschefin. Dafür gingen vor knapp drei Jahren Zehntausende auf die Strasse.
Was ist von den so genannten Regenschirm-Protesten konkret übriggeblieben?
Politisch ist eigentlich nicht viel. Die zentrale Forderung nach direkten und freien Wahlen wurde bisher nicht erfüllt. Viele, besonders auch junge Hongkonger sind enttäuscht und haben sich von der Politik abgewandt. Es hat aber auch eine Radikalisierung von einzelnen Gruppen stattgefunden.
Einzelne Gruppen haben sich radikalisiert und fordern ein unabhängiges Hongkong. Das ist vollkommen unrealistisch.
Sie wehren sich gegen alles Chinesische und zum Teil ein unabhängiges Hongkong fordern oder die Rückkehr zu Kolonialmacht Grossbritannien. Das ist völlig unrealistisch. Verschiedene Gruppen haben auch schon Demonstrationen angekündigt, vor und während der Jubiläumsfeierlichkeiten. Es gab schon Demonstrationen und Festnahmen. Seit heute ist auch Präsident Xi Jinping in Hongkong zu Besuch.
Gewisse Privilegien hat Hongkong als Sonderverwaltungszone noch?
Genau. Hongkong hat ein Grundgesetz, eine eigene Mini-Verfassung. Das Rechtssystem von Hongkong noch unabhängig von China. Die Stadt hat auch eine eigene Währung, eine eigene Polizei und die Pressfreiheit ist viel grösser als im übrigen China. Das Internet ist in Hongkong nicht blockiert. Auf den Strassen herrscht noch Linksverkehr. Hongkong unterscheidet sich immer noch sehr stark von anderen chinesischen Städten.
Das Gespräch führte Tina Herren.