Italien ist im Bann des Coronavirus: Über das Wochenende sind dutzende Fälle dazugekommen, mittlerweile sind drei Personen am Virus gestorben. Ganze Städte sind abgeriegelt worden, Veranstaltungen wie der Karneval in Venedig wurden abgesagt. Laut dem Virologen Volker Thiel wird man erst später sehen, was diese Massnahmen effektiv bringen.
SRF News: In Italien sind erstmals Fälle aufgetaucht, die keinen direkten Bezug zu China aufweisen. Überrascht sie das?
Volker Thiel: Nicht wirklich. Wir haben damit rechnen müssen, dass das Virus auch in unserer Nähe auftaucht, auch ohne einen Bezug zu China. Dies, vor allem auch, weil wir nicht wissen, wie ansteckend Personen sind, die keine oder nur milde Symptome haben. Offensichtlich kann sich das Virus ausbreiten, ohne dass wir das bemerken.
Italien ergreift derzeit drastische Massnahmen. Sind diese sinnvoll?
Es kann durchaus sinnvoll sein. In Italien haben wir noch Hoffnung, dass das Virus eingegrenzt werden kann, also die Infekt-Ketten zu stoppen.
50'000 Menschen in Quarantäne, Städte werden abgeriegelt – Ist das nicht übertrieben?
Man hofft, dass man die noch relativ geringe Anzahl Fälle unter Kontrolle bekommt. Ob die Massnahmen übertrieben sind, lässt sich erst im Nachhinein sagen.
Die Weltgesundheitsorganisation hat letzthin gesagt, das Zeitfenster, in dem das Virus eingedämmt werden kann, sei dabei, sich zu schliessen. Was sagen Sie dazu?
Ich glaube, wir müssen uns damit befassen, dass das Virus länger bei uns bleiben könnte. Es kann sein, dass wir den Zeitpunkt verpasst haben, das Virus einzudämmen. Vielleicht hatten wir auch gar nie eine Chance.
Wann ist eine Eindämmungsstrategie noch sinnvoll, dass man also versucht, einzelne Fälle zu isolieren?
Man hat das in Deutschland und teilweise auch in Frankreich gesehen, dass es durchaus Sinn machen kann. Wenn einzelne Personen infiziert sind und das auch früh erkannt wird. Dann können auch noch Kontaktpersonen abgeklärt werden. Wenn wir aber irgendwann in eine Situation kommen, wo zu viele Personen infiziert sind und wir nicht mehr nachvollziehen können welche Kontaktpersonen es gibt, dann ist es oft nicht mehr sinnvoll.
Wie sieht es in der Schweiz aus? Ist davon auszugehen, dass in naher Zukunft auch hier Fälle auftauchen werden?
Das ist nicht ausgeschlossen. Man hat sich darauf vorbereitet – und ich glaube, dass tatsächlich hier auch Fälle auftauchen werden.
Was müssten die Schweizer Behörden angesichts der Lage in Italien noch tun?
Bisher hat man sich gut vorbereitet. Man ist auf eine kleinere Anzahl von Fällen gut vorbereitet. In anderen Ländern, wo viele Fälle auftreten sieht man, dass man dann auch gar nicht so viel tun kann. Ich glaube, die Behörden haben bisher gut gehandelt.
Tagesschau, 23.2.2020, 19:30 Uhr